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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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schüttelte verständnislos den Kopf. Einen Moment lang erwartete sie, er würde auf sie zukommen und sie umarmen und... aber er blieb bloß mit hängenden Schultern stehen.
    »Erinnerst du dich, wie ich dir erzählt habe, dass ich letzten Winter in Kossum war?«
    Sie nickte.
    »Ich bin damals nicht gegangen, um den Krieg zu sehen. Ich bin geflohen. Ich wollte fort aus Wynter und wie ein Mensch leben. Es war Zufall, dass ich in die Schlacht geraten bin.«
    Mion versuchte zu verstehen. »Aber... warum?«
    Er öffnete den Mund, brachte aber kein Wort hervor. Er stützte sich gegen den Bettpfosten. »Die Kaiserin schickt mich nach Iwyndell, nach Kossum. Zwei Monate soll ich dort bleiben, damit keine Rebellion ausbricht. Wenn ich wiederkomme, soll ich Scarabah heiraten.«
    Etwas Schweres regte sich irgendwo in Mion und verwandelte ihre Eingeweide in Felsbrocken. »Könnt Ihr als Prinz denn nicht entscheiden...«
    »Nein, nein, nein.« Er vergrub das Gesicht im Arm und fuhr sich durch die Haare. »Aber es geht nicht nur darum. Sie haben... meine Mutter hat ein Mädchen festnehmen lassen, eine Dienerin, nur weil ich sie mochte. Sie wurde einfach... wegen mir -« Nach einer Weile drehte er sich wieder zu ihr um, seine Augen waren still und unergründlich, aber ohne Tränen. »Wegen meiner Unvorsichtigkeit musste ein Mensch sterben. Dasselbe darf nicht noch einmal passieren.«
    Sie starrte ihn an. »Es weiß doch niemand, dass wir uns kennen«, flüsterte sie.
    »Ach, Faunia, du... wenn du nur wüsstest! Es gab Verschwörer in den Gilden. Von jetzt an werdet ihr strenger bewacht als die Grenze von Kossum selbst, verstehst du? Und ich werde bewacht. Früher oder später wird jemand von dir erfahren, die Kaiserin ist schon misstrauisch. Du bist sicherer, wenn ich nicht mehr da bin.«
    Ein Schauder kribbelte Mion unter der Haut. Zitternd schloss sie die Finger um seine. »Ich habe nichts zu befürchten. Ich habe nichts Falsches getan.«
    Er lächelte traurig. »Egal was du getan hast, die Drachen können alles ein Verbrechen nennen. Sie haben kein Gewissen, kein Mitleid, nichts von den Menschendingen.«
    »Aber Ihr seid doch auch ein Drache!«
    Er antwortete nicht. Mion drückte seine Hand. »Ihr seid ein Drache. Und ich kenne niemanden, der gerechter denkt als Ihr.«
    Er sprach so leise, dass sie ihn kaum hörte. »Sie sind gerecht, aber nicht so . Für sie ist ein Mensch die Opferung für zwei wert, zwei Menschen sind die Opferung für einen Mehlsack wert, der fünf Menschen am Leben hält. Sie sehen die Menschen anders... als ich dich gesehen habe. Wie könnte ich gerecht sein, wenn du für mich mehr wert bist als zehn, als hundert andere... ich kann nicht Kaiser werden.«
    Sie war sprachlos. Er nahm auch ihre andere Hand und schloss sie in seine. »Ich verliere meinen Verstand. Und ich bereue es nicht einmal.«
    Alles drehte sich. Er gab auf, gab alles auf, den Thron, seinen Glauben, sich selbst. Für sie. Mühsam trat er von ihr zurück.
    »Geht nicht«, japste sie. Dabei meinte sie eigentlich das Gegenteil. Panik kochte in ihr auf. Panik vor sich selbst und dem, was sie ihm angetan hatte.
    Er schüttelte ruhig den Kopf. »Ein Kaiser, der für Gefühle anfällig ist wie ein Mensch, riskiert den Frieden von Wynter. Das kann ich nicht verantworten.«
    Er lag so falsch, aber wie hätte sie ihm das erklären können, wo doch alles, was er sagte, voller Großmut war? »Wo wollt Ihr denn überhaupt hin?«
    Er zuckte die Schultern. »Ich glaube, nach Whalentida. Von dort aus nehme ich ein Schiff in die Fernlanden.« Ein merkwürdiges Lächeln glitt über sein Gesicht. »Damals bin ich umgekehrt, weil ich an meine Pflicht geglaubt habe. Nun sehe ich, dass es meine Pflicht ist zu gehen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Tränen stiegen in ihr auf. Es waren Tränen der Abscheu. Sie verabscheute sich dafür, selbst in diesem Moment noch an Jagu zu denken und daran, dass sie das Geheimnis des Gestaltenwandels für ihn - für sich - erfahren musste. Und am meisten verabscheute sie sich dafür, Lyrian glauben zu machen, dass die Tränen ihm galten.
    »Ich kann nichts von dir verlangen«, stammelte er. »Aber... aber wenn du nur wolltest... dann würde ich dich bis ans Ende der Welt mitnehmen.«
    Lyrian ließ sie ohne Widerstand los, als sie zurückwich. Seine Augen waren so ruhig, als hätte er ihre Reaktion schon lange vorausgesehen und hingenommen.
    »Du -« Sie schaffte es nicht weiterzusprechen. Sie konnte doch nicht... Wynter verlassen?

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