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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Mutter.
    Auch die Kaiserin verwandelte sich manchmal in Tiere, und dann fing Lyrians Herz an zu rasen, als wollte es ihm aus der Brust fliehen, während der Rest seines Körpers erstarrte. Einmal wurde sie zu dem großen schwarzen Panther, während sie Lyrian umarmte; als die Frauenarme zu Raubtiertatzen schmolzen, stieß Lyrian einen schrillen Schrei aus. Seine Mutter verwandelte sich zurück und lachte laut und atemlos. Lyrian biss sich auf die Unterlippe, um nicht zu schluchzen. Er kam sich verletzt und dumm vor.
    Seine Mutter hatte recht: Er gehörte ihr, ganz und gar. Sein Glück und Unglück lagen in ihren Händen. Er war für immer ihren Launen ausgeliefert, während seine für sie ganz bedeutungslos waren.
    Als Lyrian fünf wurde und seine Ausbildung begann, verschwand seine Mutter aus seinem Leben. Immer seltener lag er in ihrem Bett, der süße Duft der Seidenbaldachine und die geflüsterten Liebesschwüre zogen sich in seine Erinnerungen zurück. Wenn er sie nun sah, trug sie ihre unberührbar wirkenden Kleider oder gar eine Tiergestalt. Es war, als sei die Frau fortgegangen, die er kaum gekannt und doch mehr angebetet hatte als je eine andere Seele auf der Welt.
    Dann kam der Tag, an dem sie ihn endgültig verbannte.
     
    Lyrian war zehn, und am Vormittag ließ Accalaion ihn in der Bibliothek allein, wo er einen Aufsatz über die Künste der Menschen schreiben sollte. Aufgeschlagene Bücher umgaben ihn, in denen berühmte Frauen und Männer erwähnt wurden, die den Drachen mit ihrer Arbeit große Dienste erwiesen hatten. Menschenkunde gefiel Lyrian am besten, vor allem wenn es um die Künstler ging: Die Theaterstücke zur Lobpreisung der Drachen weckten eine Begeisterung in ihm, die Accalaion sich in so manch anderem, wichtigerem Fach vergeblich wünschte.
    Nun hatte Lyrian sich in ein staubiges Kunstbuch vertieft. Abbildungen wundervoller Gemälde füllten die Seiten. Ohne recht nachzudenken, begann Lyrian, eines der Bilder aus dem Buch auf das leere Pergament zu kopieren.
    Er brauchte den ganzen Vormittag und einen großen Stapel Pergament, ehe er mit einem Bild zufrieden war. Glücklich betrachtete er sein Werk: Er hatte das Gesicht eines Mädchens abgemalt, das irgendwann die Tochter eines angesehenen Drachen gewesen war. In seiner Zeichnung sah sie zwar ein wenig breiter aus - und unerklärlicherweise wirkte sie nicht annähernd so echt wie im Buch -, aber Lyrian war stolz auf sich. Das kam nicht oft vor, seit Accalaion ihn unterrichtete.
    Er glitt vom Stuhl, faltete die Zeichnung vorsichtig und lief zu den Gemächern der Kaiserin. Eigentlich war es niemandem gestattet, die Kaiserin unaufgefordert zu besuchen. Aber wo er doch ein so schönes Geschenk hatte, würde sie ihm nicht böse sein können. Als er die hohe Zimmertür am Ende des Korridors erspähte, überkam ihn fieberhafte Aufregung. Was sie wohl dazu sagen würde? Er musste lächeln.
    Zwei Dienerinnen, die die Tür der Kaiserin bewachten, eilten erschrocken ins Zimmer, um die Ankunft des Prinzen anzukündigen. Lyrian verlangsamte ärgerlich seinen Schritt. Als er die Tür erreichte, öffnete ihm schon eine Dienerin.
    Die Kaiserin saß am Fenster und starrte geistesabwesend hinaus. Ihre Nachtgewänder ergossen sich um sie wie Lachen aus Perlmutt. Im kalten Licht des Himmels wirkte sie sehr blass und unwirklich.
    »Mutter?«
    Als würde die Zeit für sie langsamer vergehen, wandte sie sich zu ihm um. Dann dauerte es einen Moment, bis sie ihn wahrzunehmen schien; ihre Augen glommen auf, als hätte jemand in weiter Ferne eine Kerze angezündet. Das war ihre einzige Reaktion.
    Lyrian faltete seine Zeichnung auseinander. »Ich habe etwas für Euch. Wollt Ihr es sehen? Es ist ein Geschenk.«
    Behutsam schob Lyrian das Pergament zwischen ihre reglosen Finger. Nach einem Moment hob sie die Zeichnung hoch. Ihr Blick irrte darüber, immer wieder, als wäre da eine Sprache, die sie nicht verstand. Plötzlich zerknüllte sie das Papier, beugte sich über die Stuhllehne und stieß ein hohes, schreckliches Schluchzen aus.
    Augenblicklich eilten Dienerinnen herbei.
    »Aber -« Lyrian wagte, weder ihr näher zu kommen noch zurückzutreten. »Aber...«
    Sie ließ die Zeichnung fallen, um ihr Gesicht in den Händen zu vergraben. Tränen tropften zwischen den Fingern hindurch. Lyrian konnte gerade noch das Pergament aufheben, da zogen die Dienerinnen ihn fort. Verwirrt wurde er in den Flur geschleift, die Türen fielen zu und dämpften das Wimmern seiner

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