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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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dem Kamin führte. Als sie den Flur zur Haustür entlangging, versuchte sie, leiser aufzutreten - nur für den Fall, dass Morizius oder die Köchin in der Nähe waren und Einwände gegen ihren spontanen Ausflug hatten.
    Im Vorbeigehen flog ihr Blick über die düsteren Gemälde an der Wand, und sie freute sich, noch immer so beeindruckt zu sein wie in der Nacht, als sie sie zum ersten Mal gesehen hatte.
    Zuerst würde sie das Viertel der Künstler durchstreifen. Und dann vielleicht einen Markt. Die Menschen beobachten, die alle richtige Bürger und bestimmt furchtbar fein und hübsch anzusehen waren.
    Ein spitzer Schrei drang durchs Haus und Mion fuhr zusammen.
    »JAGU! JAGUUU!«
    Die Stimme musste der alten Frau gehören. Mion lief zurück und blieb unter dem Kronleuchter im Kaminraum stehen. Eine krumme, gebrechliche Gestalt kam die Stufen hinabgehumpelt. Mit der linken Hand stützte sie sich auf ihren Gehstock, mit der rechten klammerte sie sich am Geländer fest. Eine Decke hing über ihren gebeugten Schultern und darunter schleifte ein langes Nachthemd über die Treppe. Graues, dichtes Haar fiel ihr bis zu den Ellbogen. Mit einem lang gezogenen Stöhnen schlurfte sie zwei weitere Stufen hinab und entdeckte Mion.
    Ihr runzliges Schildkrötengesicht schien sich für einen Moment vor Überraschung zu glätten, ehe es sich nur noch enger zusammenzog wie eine schrumpelige Frucht im Sonnenlicht.
    »Wer ist das?«, zeterte sie. Ihr Gehstock verfing sich im Geländer, als sie auf Mion zeigte, und fiel mit einem lauten Klappern auf den Steinboden.
    Über ihnen erklang Gepolter und einen Augenblick später war Faunia hinter der Alten erschienen. Mit verkniffenem Gesicht packte sie sie unter den Armen, um sie am Stürzen zu hindern. Die Alte aber wehrte sich und schlug nach Faunia wie nach einer lästigen Fliege.
    »Lass - mich - du - Hände weg!«
    Faunia ließ von ihr ab, als sie Mion bemerkte; wie ertappt wich sie eine Stufe zurück und schien ihre Reaktion gleich wieder zu bereuen.
    »Dann brich dir eben die Knochen!«, fauchte sie, während ihr Blick flackernd an Mion hing.
    »Ich werde dich rauswerfen, du undankbares, unnützes Balg!« Ein heftiger Hustenanfall stoppte die Schimpftirade der Frau. Elend klammerte sie sich ans Geländer. Mion hätte beinahe Mitleid bekommen, hätte sie sich nicht erstaunlich schnell wieder erholt: »JAAAAGUUU!«
    »Er ist nicht da! Schrei nach ihm, wie du willst, er wird dich nicht hören, er ist nicht da!«
    »JAAAGUUU!«
    Mion trat instinktiv zurück. Das Geschrei der Alten und Faunias Kreischen waren zu viel.
    »Du! Wer bist du?«, bellte die Frau plötzlich und richtete einen steifen Finger auf Mion. Die Stille, die dem Lärm folgte, war noch unangenehmer.
    »Ich... ich heiße Mion«, erwiderte sie kleinlaut. »Jagus neue Schülerin.«
    »Was?«, spuckte die Alte. Dann drehte sie sich umständlich zu Faunia um, betrachtete sie und wieder Mion. Abermals zeigte der gichtige Finger auf sie. »Dann wirst du mich ab jetzt bedienen!«
    Mion verstand nicht. Auch Faunia wirkte perplex.
    »Ich - bedienen?«
    »Bist du schwer von Begriff? Noch ein Schmarotzer in meinem Haus! JAGU!«
    Die Worte der Alten glommen in Mion auf wie kleine Lichter... in meinem Haus ... Sie trat vor und machte einen Knicks. »Ich würde sehr gerne in Eure Dienste treten, Herrin. Egal, was Ihr mir aufgebt.« Die Alte und Faunia starrten sie gleichermaßen verdutzt an. »Ich bin nicht schwer von Begriff«, fügte sie leise hinzu.
    Die Frau verzog das Gesicht. Erst nach einem Moment wurde Mion klar, dass sie zufrieden lächelte: Offenbar hatte sie genau das hören wollen.
    »Aha«, grunzte sie und nestelte an ihrem Überwurf. »Soso. Und wo hat Jagu dich aufgelesen?«
    »In...« Mion konnte den Blick nicht vom Boden heben. Faunias Gesichtsausdruck zu sehen, würde sie nicht ertragen. »In den Ruinen, Herrin.«
    Eine entsetzliche, atemlose Stille folgte. Nur zu gut konnte Mion sich Faunias verächtliches Naserümpfen vorstellen.
    »Meine, meine Güte«, murmelte die Alte. »Dieser vermaledeite... was der mir ins Haus bringt... - Guck mich an, Mädchen!«
    Sie gehorchte. Die trüben Augen musterten sie mit kalter Schärfe. »Na. Gefährlich sieht sie nicht aus. Ein wenig... simpel. Kein Wunder. Aus den Ruinen, meine Güte! Sein Lehrling sollst du sein?«
    »Das hat er mir versprochen. Aber... ich weiß nicht, ob er seine Meinung inzwischen geändert hat.«
    »Das habe ich nicht.«
    Mion fuhr herum. Im Eingang stand

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