Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
Vom Netzwerk:
sie über die Schulter zurück, spähte um Ecken und fuhr bei jedem Geräusch zusammen, als sie durch die Straßen schlich. Dann wurde es zunehmend dunkler und ihre Erschöpfung dämpfte die Ängstlichkeit. Gedankenlos taumelte sie auf Leute zu und versuchte, ihren Schmuck zu verkaufen. Man wich ihr aus und einmal wurde sie sogar beschimpft.
    Irgendwann sah sie einen langen Menschentross vorbeilaufen. Mion schlich näher und blieb im Schutz der Hausmauern stehen.
    Es waren Arbeiter, Holzfäller, Bauern und Lumpengestalten. Manche wimmerten oder klagten, doch die meisten blickten stumpf geradeaus. Gestalten mit hohen Laternen bewachten die Menge... Mions Herz zog sich zusammen. Sie erkannte die gelben Umhänge. Sphinxe. Die Tagelöhner der Stadt wurden zurück in die Ruinen getrieben.
    »Bürgerscheine!«, riefen Sphinxe von nah und fern. »Bürgerscheine zeigen!«
    Plötzlich schwappte trübes Licht über ihre Schultern. Nadeln der Angst durchbohrten sie.
    »Dein Bürgerschein.«
    Stockend drehte sie sich um. Obwohl sie wusste, dass sie einem Sphinx gegenüberstehen würde, entfuhr ihr bei seinem Anblick ein Schreckenslaut. Sein graues Gesicht wirkte in der Dunkelheit wie ein Totenkopf. Die Augen waren pechschwarz und blank wie Spiegel.
    »Bürgerschein!«
    »Ich... ich hab ihn verloren«, stammelte Mion, aber sie hörte sich selbst kaum. Schon fiel die Hand des Sphinx auf ihre Schulter und schob sie zwischen die Menschen.
    Füße traten auf ihre. Ein Schulterkorb streifte sie. Die Menge drängte sie voran. Am Ende der Straße ragte ein beleuchtetes Stadttor auf, und noch mehr Sphinxe waren da, in Menschen- und Löwengestalt... Sie zählten die Ruinenbewohner ab, die Wynter verließen.
    »Weiter, weiter«, riefen die Sphinxe gleichgültig. »Nicht stehen bleiben!«
    Das Tor kam näher, ohne dass Mion ihre Schritte wahrnahm. Einzeln passierten die Ruinenbewohner das Tor, für jeden wurde ein Haken auf der Liste gemacht. Nur noch eine Handvoll Holzfäller trennte Mion von den wachsamen Augen der Sphinxe.
    Und da entdeckte sie ihn, den Blick unbeirrt auf sie gerichtet, ohne Reue, ohne Vorwurf, leer.
    »Das ist sie«, sagte Jagu zu den Sphinxen und wies mit einem müden Wink auf Mion. Sie war zu erstarrt, um Widerstand zu leisten, als die Sphinxe sie aus der Menge zogen. Dann stand sie Jagu gegenüber.
    Er biss die Zähne zusammen, seine Augenbrauen bewegten sich kaum merklich nach oben. Offenbar fiel es ihm schwer, sie anzusehen.
    »Sie?«, fragte einer der Sphinxe nach.
    »Mein Lehrling«, bestätigte Jagu und reichte ihm eine beschriftete und mit einem Siegel versehene Karte aus hartem Leder: ein Bürgerschein. Der Sphinx reichte ihn wortlos zurück und wandte sich ab.
    Jagu streifte seinen Umhang ab und legte ihn um Mion. Dann führte er sie von den Sphinxen fort zu einem wartenden Wagen. Sobald sie aus dem Licht getreten waren, schüttelte Mion seine Hand und den Umhang ab.
    »Was willst du?«, fauchte sie. Sein Gesicht war im Schatten. So leise, dass Mion es sich fast einzubilden glaubte, sagte er: »Es tut mir leid.«
    »Spar dir das.«
    Immer noch hallten die Rufe der Sphinxe durch die dunklen Gassen: »Bürgerscheine! Bürgerscheine zeigen!« Und die Schritte der Ruinenleute verdichteten sich zu einem dumpfen Rauschen.
    Mion irritierte es, dass Jagu nichts erwiderte und auch sie ihm nichts mehr zu sagen hatte. Schließlich gab sie sich einen Ruck und wandte sich zum Gehen.
    »Wo gehst du hin? Mion... sei nicht albern.« Nun hob er den Umhang auf und lief ihr nach. Als sie nicht stehen blieb, fasste er nach ihrem Unterarm - sie stöhnte auf, als er die Schrammen berührte.
    »Meine Güte, was hast du angestellt?«
    »Ich bin abgehauen, das hab ich angestellt!«, schrie sie. Plötzlich war ihr heiß vor Zorn. Dachte er denn, er könnte sie einfach so zurückholen wie einen entlaufenen Hund? »Ich hab gehört, was du gesagt hast. Ich weiß nicht, was du vorhast, aber ich werde nicht mitmachen! Ich bin kein Püppchen, das Faunias Platz einnimmt, und ich bin auch kein Mittel, um sie eifersüchtig zu machen! Ebenso wenig bin ich eine Künstlerin oder ein Lehrling, also lass mich in Ruhe!«
    »Mion...«
    »Fass mich nicht an! Oder ich schreie.«
    Er hielt inne, den Umhang halb ausgestreckt. Das Licht einer Laterne glitt durch seine grauen Augen. »Dann kommen die Sphinxe.«
    »Na und? Du hast doch einen wunderbaren Gildenring und deine Bürgerscheine und dein Geld, was schert dich das?«
    »Dich sollte es was scheren,

Weitere Kostenlose Bücher