Rabenmond - Der magische Bund
verdammt!« Er atmete tief durch. »Ich habe mich entschuldigt. Ich bitte dich... noch einmal... komm zurück. Ich führe nichts Böses im Schilde, das schwöre ich. Es gibt Geheimnisse, du hast recht, ich wollte sie dir zu gegebener Zeit verraten.«
»Ja, natürlich.«
»Also schön... ich sage dir alles. Und danach kannst du entscheiden, ob du mein Lehrling bleiben willst oder nicht. Ich werde dich nicht aufhalten, wenn du beschließt zu gehen. Du hast mein Wort.«
Eine bissige Erwiderung lag ihr auf der Zunge, aber sie schaffte es nicht, sie auszusprechen. Ebenso wenig wie sie nicken konnte. Mit knirschenden Zähnen starrte sie auf seine Stiefel.
»Nun nimm schon«, murmelte er schließlich und drückte ihr den Umhang in die Hand. Ohne abzuwarten, ob sie ihn umlegte, kehrte er zum Wagen zurück.
Eine Weile wog Mion den Umhang in der Hand, als wäre er ihr Schicksal. Dann fluchte sie, wickelte sich in den warmen Stoff und ging zum Wagen. Ohne ein Wort setzte sie sich neben Jagu. Sie fuhren los.
Beide blickten in die andere Richtung. Straßen zogen vorüber, Brocken aus Finsternis, blass umhaucht von einsamen Laternen. Schneeflocken tanzten durch die Nacht und Mion bibberte - gerade jetzt, wo sie endlich etwas zum Anziehen hatte! Was ist nur mit mir los, dachte sie.
Das Erste, was er tat, war, seine Pfeife anzuzünden. Er ließ sich nicht anmerken, dass er nervös war, doch nachdem die Pfeife brannte, drehte er sie nur noch geistesabwesend in der Hand.
Sie saßen im Salon mit dem großen Kronleuchter und der Spiraltreppe. Weiter hatte Mion nicht ins Haus gehen wollen, als gelte es, sich nicht zu nah an einen Mahlstrom heranzuwagen. Vor ihnen brannte ein altes Feuer im Kamin, gerade stark genug, sie zu wärmen und ein wenig Licht zu spenden.
»Wo ist Faunia?«, fragte Mion zuerst.
Jagu zuckte die Schultern und blickte seine Pfeife um Rat an. »Wahrscheinlich in ihrem Zimmer, ich weiß es nicht...«
»Wer ist Faunia? Seit wann ist sie deine Schülerin? Und warum hast du gesagt, dass sie dir nicht mehr nützlich ist?«
Er lächelte. »Nun duzt du mich also?«
»Antworte«, sagte sie leise.
Er paffte seine Pfeife, als wollte er sich hinter dem Rauch verstecken. »Faunia ist ein Straßenkind. Das heißt, sie war eins. Es ist jetzt schon ein paar Jahre her... fünf Jahre. Sie war vierzehn, als ich sie gefunden habe.« Er schmunzelte, aber seine Augen waren freudlos. »Sie hat die Statuen der Drachen am Gardeplatz mit Kreide bemalt - besudelt, wie die Sphinxe meinten. Mit diesem Streich hat sie sich die Gnade verspielt, in einem Waisenhaus aufgenommen zu werden. Man wollte sie in die Ruinen bringen, um sie dort ihrem Schicksal zu überlassen. Übrigens eine interessante Strategie der Drachen, wenn man bedenkt, dass sie keine Gefühle haben: Das Elend halten sie sich so weit wie möglich vom Leib. Man könnte es fast für widersinnig halten, wo das Hohe Volk doch weder für Mitleid noch Bekümmerung anfällig sein soll... Jedenfalls habe ich Faunia vor den Ruinen bewahrt. Ich fand, sie hat die Statuen sehr reizend verziert.«
Mion sah ihn ungläubig an. »Das war der Grund, warum du sie aufgenommen hast? Du hast wohl was übrig für Notleidende, die mit den Drachen in Konflikt geraten.«
Jagu rauchte nachdenklich.
Sie verschränkte die Arme und fühlte, wie ihr ein hartes, verächtliches Lächeln um den Mund zuckte. »Also Faunia war vierzehn, als du ihr begegnet bist. Sie ist doch wirklich sehr hübsch; ich wette, mit vierzehn war sie es auch schon. Und mit den ganzen feinen Kleidern hat sie gleich eine richtige Dame abgegeben.«
Jagus Augen blitzten. »Denk, was du willst. Aber ganz so simpel sind meine Absichten nicht.«
»Willst du mir weismachen, du hättest dich auch um Faunia gekümmert, wenn sie einen Bart und einen Buckel gehabt hätte?« Sie lachte auf. Gleichzeitig musste sie daran denken, wie er ihr im Kerker die merkwürdigen Fragen gestellt hatte, ob sie krank sei und ob sie noch alle Zähne habe …
»Du hast recht«, sagte er mit jener stillen, lauernden Stimme, bei der ihr schon so oft flau geworden war. »Ich hätte Faunia nicht aufgenommen, wenn sie nicht schön gewesen wäre. So wie ich dich nicht gerettet hätte.«
Das Knistern des Feuers war eine Weile das einzige Geräusch. Mion sah in die grauen Augen, gelähmt und fasziniert von der kalten Berechnung darin, die sie noch nicht verstand, aber schon lange fürchtete.
»Was hast du vor?« Hatte sie geflüstert? Hatte sie die
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