Rabenmond - Der magische Bund
Frage überhaupt ausgesprochen? »Du willst uns doch gar nicht das Malerhandwerk beibringen.«
Er erwiderte ihren Blick und schüttelte langsam, undeutlich den Kopf. Bleierne Schwere sank über sie. Sie hatte es gewusst. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein.
»Es geht um die Drachen.«
Sie verengte verständnislos die Augen.
»Ich brauche Faunia... oder dich. Denn ich weiß etwas über die Drachen, was niemand sonst zu wissen wagt.«
»Was?«
»Dass sie Menschen sind.«
Die Rudel der Ruinen
L yrian war wie versteinert. Baltibb wich zurück und Mond gab ein Winseln von sich.
Mehr als zwölf Gestalten waren auf der breiten Treppe erschienen. Im Schein ihrer Fackeln ließ sich erst erkennen, wie riesig die unterirdische Halle war: Die Treppe führte aus einem Portal heraus, das wie der Rachen eines Ungeheuers vor ihnen klaffte, und dahinter lauerten noch größere Gebilde. Lautlos lösten sich mehr Gestalten aus der Dunkelheit und schlossen sich den Fackelträgern an. Ihre Kleidung bestand aus wild zusammengewürfelten Stücken: Einer war in einen langen Umhang gehüllt, ein anderer in ein gepanzertes Lederwams. Manche hatten abgewetzte, breitkrempige Hüte auf, andere hatten sich gegen die Kälte Tücher um den Kopf geschlungen oder weite Kapuzen übergezogen. An ihrer Spitze stand eine Frau in Wolfsfellen. In der linken Hand hielt sie eine Fackel, in der rechten einen Lederknüppel. Ihre Haare, vor Dreck mehr grau als blond, waren nur fingerlang und standen wirr in alle Richtungen ab. Der Nase fehlte ein Stück; sie zeigte eine hässliche Narbe. Mit messerscharfen Augen beobachtete sie Lyrian und Baltibb und zog die Mundwinkel zu einem mechanischen Lächeln hoch.
»Wer seid ihr?«, rief sie, aber es klang nicht wie eine Frage - es war ein Bellen.
Lyrian wusste nicht, was er erwidern sollte. In diesem Moment wusste er nicht einmal, wie man den Mund öffnete. Zum Glück war Baltibb schneller als er: »Wir haben nur einen Platz zum Übernachten gesucht. Wir wollten niemanden stören.«
Zischendes Lachen erhob sich. Dann kam die Frau im Wolfsfell auf sie zu und die Bande folgte ihr wie ein Dutzend grauer Schatten. Baltibb rückte näher an Lyrian.
»Ein Platz zum Übernachten, so ist das!«, keifte sie. »Wynterbürger seid ihr, was? Feine Gesellschaft! Auf der Flucht, he?« Sie beugte sich vor und beleuchtete Baltibb. »Der Tropf hat eine hässliche Braut entführt. Hah, und ein Balg hat sie auch!«
Die Bande lachte. Baltibb durchlief ein Zittern, doch ihr Gesicht blieb hart und ausdruckslos. Lyrian schob sich halb vor sie.
»Ihr seid in mein Territorium eingedrungen!«, schrie die Frau plötzlich und alles Gelächter erstarb. Ihre Augen glühten. »Dulde keine Diebe, die in meinen Ruinen schnüffeln, meine Schätze ausbuddeln.«
»Wir haben nicht...«
Die Frau schlich näher an ihn heran. »Was sagt der Tropf? Hat er geredet, der Dummkopf?«
»Ich habe... ich habe gesagt, wir wollten nichts stehlen, wir sind zufällig hergekommen.«
Die Frau legte den Kopf schief. Die Augen rollten in ihren Höhlen, als wolle sie mit grotesker Übertreibung zeigen, dass sie nachdachte. »Zufällig... zufällig da, ist zufällig gefunden. Das Gesetz der Ruinenbanden: Wer’s findet, dem gehört’s!«
Und dann, schneller, als man in der Dunkelheit sehen konnte, holte sie aus und schlug Lyrian mit dem Knüppel nieder.
Die Welt drehte sich... irgendwo Licht... Stimmen ohne Worte. Stöhnend blinzelte Lyrian, weder ohnmächtig noch recht bei Bewusstsein. Seine Arme waren unbeweglich. Feste Hanfseile schnürten ihm die Brust ein. Neben ihm saß Baltibb mit hängendem Kopf.
Verstört sah er auf. Augenblicklich fuhr ihm ein brennender Schmerz durch die Schläfen. Der Knüppelschlag, jetzt fiel ihm alles wieder ein. Die Bande hatte ihn und Baltibb an eine alte Säule gefesselt.
Von Räuberkarawanen, die durch die Wildnis zogen und Ruinen plünderten, hatte ihm Accalaion erzählt. Weil die Karawanen auch mit Wynters Feinden Handel trieben, hatten die Drachen jeglichen Ruinenraub verboten; die versunkenen Schätze gehörten dem Kaiser und durften nur bei offiziellen Bergungen gesammelt werden. Aber natürlich waren die Menschen in der Wildnis nicht leicht zu kontrollieren. Sie zogen durch die Wälder und lebten von den steinernen Riesen der Vergangenheit.
Ein großes Feuer brannte, wo die Räuberbande sich niedergelassen hatte. Alte Stühle, Tische und trockene Wurzeln waren den Flammen zum Fraß vorgeworfen worden und
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