Rabenmond - Der magische Bund
das Feuer verschlang sie mit gierigem Zischen und Peitschen. Darüber briet ein Wildschwein, das die Räuber erlegt haben mussten. Wer Ruinen ausraubte, scherte sich auch nicht um das Jagdverbot.
Vor die Flammen hatten sie einen großen Sessel geschoben. Die Polster mochten vor Jahrhunderten einmal rot gewesen sein - nun hätte der Sessel ebenso gut mit Wildschweinfell bezogen sein können. Darauf saß die Anführerin der Räuber wie eine Koboldkönigin und nagte an einem großen Fleischbrocken.
»Seht mal, das Bürgersöhnchen ist wach!«, rief ein Räuber.
»Blass wie ein Püppchen!«, grunzte ein anderer.
»Gebt ihm was vom Fleisch! Kräftige Sklaven bringen mehr Geld!«
»Hübsch hergerichtet hast du ihn, Maraud!«
Maraud, die Anführerin, hob die Hand und der Spott verstummte. Mehrere Sekunden war nichts zu hören als das fauchende Feuer und Marauds Schmatzen. »Woher?«, fragte sie.
Lyrian begriff nicht. Schließlich gab einer der Ruinenräuber ihm eine so kräftige Ohrschelle, dass er gegen Baltibb stieß. »Woher du kommst!«
Krampfhaft blinzelte er die Sterne vor seinen Augen weg. Baltibb kam mit einem leisen Keuchen zu sich.
»Aus, aus Wynter«, murmelte er. Dann versuchte er, Maraud fest in die Augen zu blicken, was nicht leicht war, weil er alles verschwommen wahrnahm. »Bindet uns los!«
Die Räuber brachen in schallendes Gelächter aus.
»Wir haben euch nichts getan! Ihr habt keinen Grund, uns festzuhalten, ihr - ihr Menschen!« Er presste die Lippen aufeinander. Die irrsinnige, scheußliche, grundlose Bosheit dieser Kreaturen brachte ihn fast um den Verstand. Sie waren Tiere, nein, viel schlimmer. Tieren fehlte die Tücke, um so gezielt auf die Gerechtigkeit zu treten.
»Keinen Grund, sagt er, das Kerlchen!«, kreischte Maraud. »Wir haben euch gefunden, so einfach ist das.« Sie rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. »Ich sehe zwei Fleischhaufen vor mir, das seid ihr! Ich sehe zwei Geldsäcke. Fünfzig Dukaten für den bleichen Haussklaven, für das Mädchen...« Sie musterte Baltibb aus zusammengekniffenen Augen. »Gah! Die kauft nicht mal ein Blinder!«
Wieder Gelächter. Lyrian zitterte vor Abscheu. Hoffentlich war Baltibb noch nicht so weit zu sich gekommen, um die derbe Bemerkung gehört zu haben.
Doch sie hatte sie mitbekommen. Sie hielt bloß den Kopf gesenkt, um den Ruinenräubern nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Nun beugte sie sich zu Lyrian und flüsterte verzweifelt: »Wo ist Mond?«
Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Hund fehlte. Schaudernd starrte er zu Maraud hinüber.
»Lasst uns frei.«
Die Räuberin kaute mit offenem Mund. »Deine Kleine, die kann ich wirklich nicht gebrauchen. Mädchen verkaufen sich schlecht für den Krieg und zur Braut taugt die da nichts. - Holunder!« Sie schnipste einem ihrer Räuber zu. »Hab’s mir anders überlegt. Mach die Vogelscheuche kalt.«
Mit einem gleißenden Geräusch wurde der Säbel gezogen. Dann kam der Räuber auf sie zu.
»Bleib stehen«, befahl Lyrian. Nur ein Grinsen zuckte um das Räubergesicht. Der Mann packte Baltibb am Zopf und riss sie zurück. Sie gab keinen Laut von sich, starrte nur in die dumpfen Augen.
Lyrian verschwand. Irgendein Räuber stieß einen Schrei aus, doch die anderen waren zu überrumpelt, um zu reagieren. Ein Fuchs, groß wie ein Löwe, stürzte sich auf den Mann und biss ihm in die Kehle.
Heilloser Tumult brach aus. Ehe jemand das Monster hätte angreifen können, war es fort.
Maraud sprang aus ihrem Sessel, einen Krummsäbel in jeder Hand. »Wo ist es?!«
Hinter ihr tauchte ein großer Vogel auf und riss sie in die Flammen. Die Räuberin schrie, taumelte durch das Feuer und stürzte zu Boden. Schon war der Vogel in der Dunkelheit untergetaucht.
In den Schatten der Säule verwandelte Lyrian sich zurück und riss fieberhaft an Baltibbs Fesseln. Als sie auf die Beine kam, trat er vor sie. Seine Finger hatten die Form von Klauen. Lange Zähne schimmerten zwischen seinen Lippen.
Schwerfällig richtete sich Maraud auf. Ihr Haar war bis zum Ansatz versengt und in dem rußgeschwärzten Gesicht glühten die Augen wie Glassplitter. Mit einem Schrei hob sie ihre Krummsäbel.
Lyrian rief die Fuchsgestalt herbei und machte einen großen Satz auf sie zu. Die Räuber ergriffen die Flucht - auch Maraud stolperte zwei wankende Schritte zurück. Dann riss sie die Säbel hoch und rannte auf Lyrian zu.
Die Klingen zerschnitten die Luft, doch der Fuchs sprang zur Seite.
»Helft mir!«, brüllte Maraud in
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