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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Ihr war, als zucke er bei dem Klang zusammen. »Du teilst deine Geheimnisse ja nicht gerne. Aber sie sind bei mir sicher.«
    Schweigend fuhren sie dahin. Mion erwartete eigentlich keine Antwort - sie war froh, ihm einfach gesagt zu haben, dass sie Bescheid wusste und er ihr vertrauen konnte wie sie ihm. Dann hörte sie ihn leise lachen.
    »Osiril hat dir das gesagt, ja?«
    »Ja...«
    »Ich fasse es nicht. Osiril! Du verstehst es wirklich, den Menschen die Zunge zu lösen!«

Wiederkehr
    D er Heerzug war beeindruckender als alles, was Baltibb je gesehen hatte.
    Drachen in den fantastischsten Gestalten bildeten die Spitze. Geflügelte Hengste, doppelt so groß wie ein normales Schlachtross, in deren spitzen Mäulern Raubtierzähne blitzten, schritten neben Riesenkatzen, furchterregenden Schlangenwesen und anderen Ungeheuern, in denen so viele Korpusse gemischt waren, dass man die einzelnen Tiere kaum mehr erkannte. Über ihnen kreisten die unheimlichen Darauden mit ihren Schlangenleibern und Rabenklauen im Himmel.
    Die Nachhut bildeten endlose Truppen von Menschensoldaten und Gefangene - oder Befreite, die Worte beschrieben dasselbe -, die eine neue Zukunft in Wynter erwartete. Baltibb durfte vorne bei den Drachen reisen, dafür hatte Lyrian gesorgt. So lief sie als einziger Mensch mit den Tieren und Monstern.
    »Wohin werden wir ziehen?«, fragte sie Lyrian abends, als sie alleine in dem Zelt saßen, das für ihn aufgeschlagen worden war. Draußen hielten Darauden Wache, und Baltibb versuchte, ihre unheimlichen Schatten auf der Zeltwand zu ignorieren, so gut es ging.
    »Nach Süden«, antwortete er tonlos. »In den Krieg.«
    »Und danach?«
    »Danach... wir werden sehen. Wir werden sehen, Tibb.«
    Etwas hatte sich in ihm verändert; seit sie auf das Heer gestoßen waren, schien Lyrian in Gedanken noch ferner als früher. Vielleicht war etwas vorgefallen, als er mit dem Kaiser gesprochen hatte. Aber es stand Baltibb nicht zu, ihn auszufragen. So schwieg sie und überließ ihm die Entscheidung über seine und ihre Zukunft. Denn dass diese beiden unwiderruflich miteinander verbunden waren, wusste Baltibb. Sie gehörten zusammen, oder besser gesagt, sie gehörte zu ihm.
    Am nächsten Morgen setzten sie ihre Reise nach Süden fort, in die Tiefen dieses fremden, zerrissenen Landes, das Kossum hieß, das größte Reich des Kontinents war und von dem Baltibb noch nie gehört hatte. Aber sie hatte eine rasche Auffassungsgabe, und was man ihr einmal sagte, vergaß sie nicht. Wenn Lyrian ihr erklärte, dass die Geschwisterstaaten, zwei mächtige, von Menschen regierte Reiche, Kossum mit schädlicher Freiheit und Chaos überzogen, akzeptierte Baltibb diese Tatsache und stellte sie nicht infrage. Ebenso fand sie sich damit ab, dass diese Dinge Lyrians Drachenverstand weitaus mehr beschäftigten als ihren schlichten menschlichen. Alles war, wie es sein sollte. Sie vertraute auf eine Ordnung in der Welt, die sie als kleines Rad im Getriebe nicht sehen, aber in Lyrian vermuten konnte.
    Sie reisten durch verbrannte Öden, wo nur verkohlte Baumstümpfe und Ruinen Schatten warfen. Halb tote Menschen, die das Feuer und die Klingen der Feinde überlebt hatten, wurden vom Heer aufgenommen und Teil der namenlosen Flüchtlingsmasse. Ob nun befreit oder nicht, sie blieben Eingekerkerte zwischen Vergangenheit und Zukunft, die beide gleichermaßen unabwendbar waren.
    Auch darüber schien Lyrian sehr viel mehr nachzudenken als Baltibb. Wenn sie abends ihr Lager aufschlugen, beobachtete er die verlorenen oder vielleicht geretteten Menschen, und sein blass gewordenes Gesicht überschatteten Sorgen, die Baltibb nicht verstand. Sie versuchte es auch nicht.
    Am dritten Tag erschien ein Heer am Horizont: Winzig wie Ascheflocken flimmerten die Gestalten in der Ferne. Baltibb bekam weiche Knie, als die Schlachthörner zu dröhnen begannen und der Boden bebte. Auch Mond jaulte laut, der ohnehin Angst vor den Drachen, Darauden und Sphinxen hatte und seit Tagen mit eingezogenem Schwanz neben ihr herschlich. Doch die Krieger von Wynter zeigten keine Furcht - sie zeigten gar nichts außer grimmiger Entschlossenheit. Die Sphinxe liefen den Feinden zuerst entgegen, in gut organisierten Rudeln. Fast lautlos wirbelten ihre Pranken die staubige Erde auf und zogen eine grau-dunstige Wolke mit sich. In den Lüften begleiteten sie die Darauden. Falls das die Feinde nicht in die Flucht schlug, würden die Drachen angreifen. Erst wenn es wirklich nötig war, würden

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