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Rabenmond - Der magische Bund

Titel: Rabenmond - Der magische Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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Tür. Elegant verwandelten der Kaiser und die Kaiserin sich in ihre natürliche Gestalt und landeten auf dem Podest.
    Die Kaiserin trug ein prächtiges Gewand, das so goldgelb war wie ihre Augen. Der Kaiser dagegen war mit einem einfachen Umhang schlicht gekleidet, doch der hohe, mit Juwelen besetzte Kopfschmuck verlieh ihm wie immer eine unnahbare Autorität. Als das Kaiserpaar Platz nahm, kam eine Reihe Diener herein, um das Mahl aufzutragen.
    Die Kaiserin führte das Gespräch. Sie erkundigte sich nach der Kriegslage, den Schlachten, den Gewinnen und Verlusten, obwohl sie bestimmt schon alles mit ihrem Gemahl unter vier Augen besprochen hatte. Dann erklärte sie, ohne Lyrian anzusehen, dass sie die Heldentaten des Prinzen in Liedern besingen lassen werde. Ihr sei bereits zu Ohren gekommen, dass er sich in den Schlachten bewährt und Korpusse für Wynter geopfert habe.
    »Auf den Thronfolger«, sagte sie zuletzt und hob ihren Kelch. In einer einheitlichen Bewegung hoben die Drachen die ihren, und man trank auf Lyrian, der den Blick auf seinen Teller gerichtet hielt.
    Als das Essen beendet war, erhob die Kaiserin sich und dankte den Drachen für ihren Bericht. Zu Lyrian sagte sie im selben sanften Ton: »Folge mir.«
    Die Kaiserfamilie verließ die Halle. Im Flur verwandelte sein Vater sich in den Adler und verschwand ohne Abschied. Die Kaiserin schien es nicht zu bemerken oder es kümmerte sie nicht; ohne sich umzudrehen, schritt sie den Korridor hinunter und führte Lyrian in ein dunkles Gemach. Eben war eine Dienerin dabei, die Lampen in den Wandnischen zu entzünden. Sie verneigte sich tief und ließ die Kaiserin und Lyrian alleine.
    Außer einem wuchtigen Schreibtisch und einer riesigen Landkarte aus Leder, die eine Wand bedeckte, war das Gemach leer. Die Kaiserin trat vor die Karte und schien sie zu studieren. Schweigend wartete Lyrian darauf, dass seine Mutter zu sprechen begann.
    Damit ließ sie sich Zeit. Lyrian glaubte schon, sie hätte ihn vergessen, und als ihre Stimme endlich erklang, schien sie mit sich selbst zu reden.
    »Zwölf Tagesreisen bis Jegäa. Dann über die Mitternachtsberge, eine gefährliche Wanderung. Jenseits von Libéa schließlich liegt die Grenze von Kossum. Kossum... was für ein Schlangennest. Das Land ist fruchtbar, wenig Ruinen mit Bodenschätzen zwar, aber dichte Wälder, Sonne, goldene Felder. In letzter Zeit wohl eher Schlachtfelder. Und überall die verfluchten Krieger von Modos und Ghoroma. Ihre aufrührerischen Reden von Menschenfreiheit und Volksherrschaft sind giftiger als ihre Klingen.« Sie warf Lyrian über die Schulter einen Blick zu.
    »Wollt Ihr mein geografisches Wissen prüfen?«, fragte er höflich.
    »Ich bin nur neugierig, ob du mir zustimmen kannst, nun, da du alles mit eigenen Augen gesehen hast.«
    Lyrian neigte leicht den Kopf, was so viel heißen mochte wie »Ja«, »Nein« oder »Wie Euch beliebt«.
    Die Kaiserin drehte sich ganz zu ihm um. »Du glaubst mir nicht, aber ich weiß sehr wohl, was in dir vorgeht. Ich weiß es sehr wohl... Auch ich war einmal in deinem Alter.« Ihr Blick irrte über sein Gesicht, blieb an seinem Haar hängen, das er zu kämmen vergessen hatte. »Wie köstlich ist das Leid der Jugend!«, flüsterte sie. »Jede Enttäuschung ist vermählt mit einem edlen Triumph, denn man weiß, man kann sie verkraften. Hunger und Durst nähren den Stolz, jedes Hindernis lässt Mut gedeihen. Selbst die Kälte beißt lieblich, denn sie ist machtlos gegen den jugendlichen Widerstand. Fließen Tränen, sodann mit tausend warmen Schaudern... Nein, das Leid der Jugend ist nicht bitter. Sage mir, du hast Kummer, und ich beneide dich um deine süße Tragik.«
    Lyrian starrte seine Mutter an und biss die Zähne zusammen. »Ihr verhöhnt mich.«
    »Ich verstehe dich. Das gibt mir das Recht, dich zu verhöhnen oder zu beneiden, wie es mir beliebt.« Nachdenklich beobachtete die Kaiserin ihn. »Sag, das Menschenmädchen, das dich begleitet hat... ist sie dir teuer?«
    »Was meint Ihr?«
    »Das weißt du sehr wohl«, sagte sie gefährlich leise. Lyrian entschied, dass es keinen Grund gab zu lügen.
    »Ihr habt wohl gehört, dass sie mir mehr bedeutet als eine Dienerin. Im Vergleich zu den Heldentaten, von denen Ihr außerdem gehört haben wollt, ist das wahr. Ich gebe es zu, denn es ist nichts Schändliches, einem Menschen nahezustehen. Sie mögen anders sein als wir, aber wenn wir sie regieren, dann sollten wir sie kennenlernen und...«
    »Sie ist

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