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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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dein Freund Edon liegt verstümmelt in der Familiengruft.“
    „ Reden wir nicht davon“, sagte Elsa und entschied sich für eine Würstchenvariation mit Marmeladenwürstchen zum Nachtisch. Der Kellner, der sie bediente, trug einen dieser Riesenkrägen mit großen goldenen Knöpfen, die hier der letzte Schrei waren.
    „ Du bist ein Feigling“, sagte sie, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten. „Wenn die Landarbeiter genauso peinliche Krägen hätten wie unser Kellner, dann hättest du in irgendeinem Winkel dieser Welt eine Tracht aufgetrieben, die dir mehr zusagt. Weil du eitel bist!“
    Sie saßen an den kleinen, viereckigen Fensterscheiben, die zur Bahnstation hinauszeigten. Ab und zu fuhr eine Dampflok mit bunt bemalten Waggons vorbei. Diese Welt war auf ihre Weise drollig, hätten sich die Menschen darin nicht so ernsthaft und erwachsen verhalten. Eigentlich waren sie nicht anders als die Istländer. Es sah nur alles so bunt und niedlich aus! Elsa gefiel es. Sie konnte sich gar nicht satt sehen an all den fremden Erscheinungen und am lustigsten fand sie es, dass sie und Anbar ein Teil dieser Welt waren, wenn auch nur gut getarnt.
    „ Ich komme aus einer hoch entwickelten Kultur“, sagte Anbar. „Daher brauche ich ein Mindestmaß an Ästhetik, um mich wohlzufühlen. Das geht allen Weichlingen so.“
    „ Also seid ihr alle eitel.“
    „ Eitelkeit hat dazu geführt, dass sich die Leute morgens waschen und das Schwarze unter den Fingernägeln wegkratzen. Ist das schlecht?“
    Elsa spielte mit ihrem Besteck. Die Gabeln hatten acht Zacken und die Messer mächtige Griffe, als wollte man damit keine Würstchen, sondern ganze Schweine erlegen.
    „ Was ist mit Amandis? Hat sie geheiratet? Es hat mich wirklich geärgert, dass ich das nie erfahren soll!“
    „ Mit der Hochzeit war es ganz schnell vorbei. Seit Nada weiß, dass Morawena kein Vogel mehr ist und an ihn denkt, hofft er auf das Unmögliche.“
    „ Was ist das Unmögliche?“
    „ Dass sie in Freiheit leben kann und doch noch ihre Liebe für ihn entdeckt.“
    „ Wenn das unmöglich ist, sollte er nicht darauf hoffen.“
    „ Ich kann ihm das nicht verbieten. Zu viele Unmöglichkeiten ereignen sich am Ende doch.“
    „ Das heißt, du hoffst es auch? Für ihn?“
    „ Er kommt sehr gut mit ihr aus, was gar nicht so einfach ist, und er versteht sie. Im Gegensatz zu Gerard. Der hatte nur eine große Klappe. Er war zwar ein netter Kerl, aber er hielt sich für den Größten.“
    „ Morawena hielt ihn auch für den Größten?“
    „ Ja, sie hat ihm das voll abgenommen.“
    „ Aber du weißt, dass er kein Großer war.“
    Elsa entdeckte gerade ihre Serviette. Die konnte man ellenlang aufwickeln, was sie nun auch tat.
    „ Damit möchtest du andeuten, dass ich auch eine große Klappe habe?“, fragte er.
    „ Du weißt immer, was für andere Leute gut oder schlecht ist“, sagte sie, „und du möchtest am liebsten darüber bestimmen, was sie tun oder lassen sollen. Wahrscheinlich denkst du auch noch, dass alles in bester Ordnung wäre, wenn die Menschen dir besser gehorchen würden. Und jetzt sag nicht wieder, dass alle Antolianer so sind.“
    Der Kellner kam und brachte das Essen. Für Anbar die Gemüsesuppe und für Elsa einen Teller mit gekringelten, gezwirbelten oder in viereckige Stücke geschnittenen Würstchen in den unterschiedlichsten Farben. Sie war entzückt.
    „ Ich kann im Grunde nichts dafür“, sagte Anbar zwischen zwei Löffeln Gemüsesuppe. „Meine Mutter hat mir das eingebrockt. Sie stammt aus einer berühmten Familie und wollte nicht in Vergessenheit geraden, wie so viele Nachfahren berühmter Familien. Also hat sie beschlossen, dass eines ihrer vielen Kinder die Tradition fortsetzen muss. Aus irgendwelchen Gründen fiel ihre Wahl auf mich und sie hat mir von klein auf beigebracht, dass ich dazu bestimmt bin, die Welten zu regieren.“
    „ Das hast du ihr geglaubt?“
    „ Bis ich sechs Jahre alt war, ja. Dann hat mich mein Vater in den Ferien nach Sommerhalt geschickt, zu seiner Schwester Lian Reling. Dort haben mich Sistra und Morawena zurechtgestutzt. Gegen meinen Willen und es war schmerzhaft, aber ich glaube, es war nicht umsonst. Es hat mich der Wirklichkeit ein Stück näher gebracht.“
    „ Sonst wärst du noch selbstherrlicher?“
    „ Ja, tatsächlich, auch wenn du dir das nicht vorstellen kannst. Der Rat der Hochwelten ist voll von selbstherrlichen Politikern, die keine Ahnung haben, wie das Leben sein kann. Sie

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