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Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition)

Titel: Rabenschwärze: Das Mädchen aus Istland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kammer
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Nein, du bist normal. Davon musst du überzeugt sein.“
    „ Von etwas, das ich nicht bin?“
    „ Es gibt Geisteskrankheiten. Vielleicht hast du ja eine. Vielleicht sitzt du gerade in einem Sanatorium und halluzinierst.“
    „ Ich verstehe. Ich bin also ein normaler Mensch mit Wahnvorstellungen. So was hat übrigens schon mal jemand zu mir gesagt. Wer war das noch? Kamark. Genau. Der Weltenführer, den du in den Zerfurchten Wiesen gesehen hast. Er kommt auch von drüben.“
    „ Von dem anderen Universum?“
    „ Ja. Es hat ihn hierher verschlagen und er kommt nicht zurück.“
    Wieder hielt der Zug. Er wurde immer voller. Die Leute, die einstiegen, waren ausgelassen. Ogelamarke schien ein beliebtes Ziel zu sein.
    „ Aber dieser Kamark ist kein Rabe?“
    „ Nein, er ist nur besonders gut im Wechseln von Welten. Er kann andere gut mitnehmen. Er hat auch gesagt, wir sitzen in Wirklichkeit in einem Irrenhaus und trinken zusammen Kaffee.“
    „ Genauso ist es. Du bist nicht vollkommen normal, sondern hast eine leichte Bewusstseinsspaltung. Im Großen und Ganzen ist das eine psychische Angelegenheit, die keinen Zweifel daran lässt, dass du Istland nie verlassen hast.“
    „ Das soll ich mir einbilden?“
    „ Daran sollst du glauben. Du wirst keine Spuren hinterlassen und niemanden auf dich aufmerksam machen, wenn du so denkst und so handelst. Dass ein Rabe in der Lage wäre, so zu handeln, glaubt fast niemand. Aber dein Freund im Zwischenraum, der hat sich so oder ähnlich verhalten. Vielleicht könnt ihr das, ihr Raben von der anderen Seite. Du musst es sehr ernsthaft versuchen. Wenn du es nicht schaffst, lockst du deine Feinde in deine Heimat.“
    „ Was ist mit dem Vertrag auf meinem Rücken?“
    „ Hast du ihn freiwillig unterschrieben?“
    „ Nein, ich glaube nicht.“
    „ Dann gilt er auch nicht. Außerdem brauchst du an den Vertrag nicht zu glauben. Er ist übrigens kaum zu sehen.“
    Elsa betrachtete eine ärmliche Siedlung unter niedrigen Bäumen, an der sie gerade vorbeifuhren. Hier gab es keine Türme und keine hohen Häuser in der Mitte. Es waren nur Hütten, die nicht stabil aussahen. Während sie diese Hütten betrachtete, überlegte sie, was er damit sagen wollte. Als sie ihren Rücken das letzte Mal im Spiegel betrachtet hatte – und das war sehr lange her – da waren die Zeichen darauf pechschwarz gewesen, so wie am ersten Tag.
    „ Woher weißt du, ob mein Vertrag zu sehen ist oder nicht?“
    „ Viel habe ich von deinem Vertrag nicht gesehen, weil du so viele lange Haare hast, aber ich habe vorhin das eine oder andere verblasste Schriftzeichen gesehen.“
    „ Hast du das?“
    „ Es ließ sich nicht vermeiden. Was ich damit sagen will, ist: Ich halte es für möglich, dass die Buchstaben ganz verschwinden. Du hast länger als ein Jahr nicht an diesen Vertrag gedacht und er ist kaum noch zu sehen. Wenn du ihn wie alles andere ins Reich der Fantasie verbannst, dann könnte es sein, dass auf deinem Rücken keine Spur davon zurückbleibt. Es ist wie mit dem Reif: Wenn du ihn bekämpfst, ist er stark. Wenn du ihn nicht beachtest, verliert er seine Macht.“
    So hatte es Elsa noch nicht betrachtet. Das klang nett, aber so richtig glaubte sie nicht daran …
     
    Elsa stellte ihre leere Tasse mit einem Knall auf den Nachtschrank. Dann lief sie aus ihrem Zimmer über den Flur ins Bad. Beim Licht einer Glühbirne in einem sehr verschmutzten Lampenschirm zog sie ihre Bluse aus und drehte ihren Rücken zum Spiegel hin. Sie konnte sich nicht erinnern, im letzten Jahr auch nur einmal etwas Merkwürdiges auf ihrer Haut entdeckt zu haben. Doch jetzt erkannte sie lauter graue Flecken darauf. Sie setzte sich neben das Waschbecken und rückte noch näher an den Spiegel heran. Es bestand kein Zweifel: Dort befanden sich blasse Tätowierungen von unleserlichen Schriftzeichen. Wenn sie sich dort befanden, dann konnte das womöglich heißen, dass sie wirksam waren. Aber viel wahrscheinlicher war es, dass sie sich das nur einbildete. Es war eine Wahnvorstellung, sonst nichts. Kein Arzt würde diese grauen Schatten entdecken.
    Sie war keineswegs beruhigt, als sie sich wieder anzog und in ihr Zimmer zurückkehrte. Draußen hatte es zu regnen begonnen. Sie liebte es, das Wasser zu beobachten, wenn es die Scheibe hinablief. Mehr blieb ihr gerade nicht übrig.
     
    Sie erreichten Ogelamarke am Nachmittag. Das flache Land war hügelig geworden und der Bahnhof, den sie nun mit unzähligen anderen Ausflüglern

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