Rabenvieh (German Edition)
nicht davon abhalten, das zu Ende zu bringen, womit ich begonnen hatte. Hätte ich jedoch Patrick nicht an meiner Seite gehabt, hätte ich das, und all das, was noch folgte, wohl nicht so gut verkraftet.
Das zweite Mal an diesem Tag standen wir vor einem Gartentor und betätigten die Klingel. Anders als zuvor standen wir aber nun vor einem prachtvollen Bungalow. Eine riesige Grünfläche mit vielen Obstbäumen und Dutzend blühenden Blumen rundete das Gesamtbild ab. Unmittelbar nach unserem Läuten, kam ein Mann um die sechzig aus dem Haus. Er machte schon von Weitem einen sehr sympathischen Eindruck. Am Stiegenabgang wechselte er sein Schuhwerk, und nachdem er die wenigen Stufen nach unten gegangen war, kam er auf uns zu. Anders als noch bei meiner Taufpatin, war ich nicht mehr so fürchterlich nervös. Ich fragte ihn gezielt nach jenem Namen, den ich zuvor von meiner Taufpatin erhalten hatte. Abwechselnd sah er Patrick und mich an, bis er schließlich antwortete, dass er das sei. Mir schossen Glücksgefühle durch den Körper. Am liebsten hätte ich einen Satz über das Gartengeländer gemacht und wäre meinem Onkel vor Freude um den Hals gefallen. So oder so ähnlich musste wohl auch mein Vater aussehen, dachte ich mir. Ich erzählte meinem Onkel, dass ich soeben von meiner Taufpatin käme, von der ich diese Adresse bekommen hätte und auf der Suche nach meiner Familie wäre. Erst jetzt dämmerte es ihm, dass ich mich zuvor mit demselben Familiennamen vorgestellt hatte. Und erst jetzt wurde ihm auch bewusst, wer ich war. Sofort öffnete er das Gartentor und bat uns herein. Er reichte Patrick die Hand, anschließend nahm er mich in den Arm. Er drückte mich ganz fest an sich und streichelte mir dabei mehrmals über den Rücken. Ich schloss dabei die Augen und genoss jede einzelne Sekunde. Ich wünschte mir, die Zeit würde genau in diesem Moment stehen bleiben.
Seine Frau war mittlerweile am Gartentor angekommen und begrüßte uns mit derselben Herzlichkeit wie zuvor mein Onkel. Ich vermag es mit Worten nicht zu beschreiben, wie angenommen und wohl ich mich in deren Armen gefühlt hatte. Beide baten uns auf die Terrasse, damit wir es uns dort gemütlich machen konnten. Patrick wollte sich gerade neben mich setzen, als ihn mein Onkel am Arm stupste und meinte, dass er doch in den Weinkeller mitkommen solle, um sich einen guten Tropfen auszusuchen. Wir kannten uns erst wenige Minuten, aber es war eine derartige Vertrautheit, dass man meinen konnte, wir würden uns schon Ewigkeiten kennen. Während Patrick mit meinem Onkel im Keller war, bekam ich von meiner Tante Kaffee und Kekse serviert. Als wir wenig später alle rund um den Tisch saßen, überhäuften mich die beiden mit Fragen. So schnell konnte ich gar nicht antworten, wie die beiden Fragen stellten. Mir fiel auf, dass mein Onkel gleich einmal begann, mehrmals nervös auf die Uhr zu sehen. Bald einmal meinte er, dass es ihm furchtbar leidtäte, uns bald verlassen zu müssen. Er müsse zur Arbeit. Wir könnten aber bleiben, solange wir wollen, fügte er hinzu. Es war ihm anzumerken, dass es ihm unheimlich leidtat, dass er bald gehen und sich von uns wieder verabschieden musste.
Für das darauf folgende Wochenende bekamen wir eine Einladung zum gemeinsamen Mittagessen. Nachdem wir zusagten, fiel es meinem Onkel nicht mehr ganz so schwer, sich von uns wieder zu verabschieden. Unmittelbar, nachdem mein Onkel gegangen war, machten auch wir uns auf den Weg. Mit dem Gedanken, dass wir uns in wenigen Tagen wiedersehen würden, fiel auch mir der Abschied nicht so schwer. Außerdem hatte ich für diesen Tag mehr als genug Eindrücke zu verarbeiten und ich spürte, wie mich das furchtbar müde machte. Da wir in dieser kurzen Zeit kaum über meine Eltern sprachen, freute ich mich auf das anstehende Wochenende, denn ich erhoffte mir dadurch weitere Informationen.
Wenige Tage nach unserem ersten Besuch saßen wir also wieder bei meinem Onkel und meiner Tante auf der Terrasse. Schnell bemerkte ich, dass mein Onkel längst nicht so entspannt und gut gelaunt war, wie das letzte Mal. Nicht, dass er unfreundlich war, das war er keinesfalls, aber irgendetwas lag in der Luft.
Das Essen schmeckte hervorragend. Es gab Schweinemedaillon mit selbst gemachten Kroketten, Preiselbeeren, einem bunten Blattsalatteller und als Dessert ein Bananen-Parfait. Nach dem Essen half ich meiner Tante, die Küche wieder sauber zu machen, während mein Onkel und Patrick draußen auf der Terrasse
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