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Rabenzauber

Rabenzauber

Titel: Rabenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
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konnte.
    Sie würde dafür sorgen, dass ihre Kinder in Sicherheit waren, schwor sie lautlos, nachdem sie schon nicht für die Sicherheit ihres Clans hatte sorgen können, oder für die von Tier. Und wenn sie bei diesem Gedanken weinte, konnte nur Jes es sehen.
Rinnie schlief schließlich ein. Jes trug sie die Leiter hinauf zu ihrer Hälfte des Speichers und gesellte sich dann wieder zu Seraph und Lehr, die sich vor dem Feuer auf eine Bank gesetzt hatten.
    »Sie hatte keine Angst vor mir«, sagte er.
    Seraph lächelte und tätschelte den Platz neben sich. »Nein, es sah nicht so aus.«
    Er setzte sich nicht. »Alle haben Angst, sogar du und Papa.«
    »Und ich«, sagte Lehr mit einem müden Lächeln, das sich mehr in seinen Augen zeigte als auf seinem Mund. »Aber es ist nur ein allgemeines Unbehagen, oder? Ich habe nicht wirklich Angst vor dir, ich bin nur unruhig.«
    Seraph nickte. »Sie hat das vielleicht auch so empfunden, aber es gibt Schlimmeres als Angst.«
    »Gewöhnlich fassen Leute mich nicht an«, sagte der Hüter und starrte seine Hände an, als fehle ihm das Gewicht von Rinnies warmem Körper.
    Lehr warf ihm einen scharfen Blick zu - immerhin konnte Jes es die meiste Zeit kaum ertragen, berührt zu werden.
    »Du hast sie getröstet«, sagte Seraph. »Du hast sie daran erinnert, dass sie nicht allein ist.«
    Der Hüter sah sie an und wurde innerhalb von zwei Atemzügen wieder zu Jes. »O Mutter«, flüsterte er. »Wir sind so traurig.« Er ließ sich vor ihr auf den Boden sacken und begann leise und mit überwältigender Trauer zu schluchzen.
    Seraph setzte dazu an, ihm eine Hand auf die Schulter zu legen, hielt sich dann aber zurück. So überanstrengt wie Jes war, würde er ihre Berührung wirklich nicht ertragen können.
    Stattdessen stand sie auf und öffnete die Haustür. »Gura«, sagte sie. »Komm.«
    Der große Hund sah sie erstaunt an - während des Tages kam er manchmal herein, aber in der Nacht bewachte er den Hof.

    »Komm«, wiederholte sie.
    Gura ging an ihr vorbei zum Feuer. Sobald er Jes sah, ließ er sich seufzend neben ihm nieder. Jes, der die Ablenkung menschlicher Berührungen nicht ertragen konnte, schlang die Arme um den Hund und drückte das Gesicht an sein Fell.
    Als Seraph sich wieder neben Lehr setzte, sagte er: »Warum mag er es nicht, wenn man ihn anfasst und …« Er zögerte. »Das ist wirklich verwirrend. Warum hat es ihn nicht gestört, angefasst zu werden, als er der Hüter war?«
    »Jes ist gegenüber Berührungen sehr empfindlich. Die meisten Adler sind Empathen. Weil er den Hüter stets zügeln muss, wären die Gefühle einer dritten Person einfach zu viel.«
    »Du sagst das, als wäre er zwei Personen.«
    Seraph nickte. »Nach dem, was mein ältester Bruder, der ein Hüter war, mir erzählte, verhält es sich tatsächlich so ähnlich. Ich weiß nicht, wieso der Adler sich so sehr von den anderen Weisungen unterscheidet und warum es so viel schwieriger zu ertragen ist, ein Hüter zu sein. Mein Lehrer glaubte, die alten Zauberer hätten eigentlich etwas ganz anderes erschaffen wollen - vielleicht einen besonders guten Krieger - und Fehler gemacht; Fehler, für die Jes und andere wie er nun ihr Leben lang büßen müssen.« Sie hielt inne und warf Jes einen Blick zu. Er achtete nicht auf sie, aber sie senkte die Stimme dennoch, bevor sie fortfuhr. »Die meisten Adler sterben, bevor sie Jes’ Alter erreichen, also versuchen meine Leute, sie so gut wie möglich zu beschützen; wir halten sie von Fremden fern und sprechen außerhalb des Clans nicht von ihnen. Der Hüter ist sowohl der gefährlichste als auch der verwundbarste unter denen, die mit einer Weisung geboren werden.«
    Seraph verschränkte die Arme, als ihr klar wurde, dass sie nun allein dafür verantwortlich war, für Jes’ Überleben zu sorgen.
Lehr legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich. »Es wird schon alles gut werden, Mutter«, sagte er.
    Sie blieben so sitzen, bis Jes’ Tränen versiegten und Gura eindöste und leise zu schnarchen begann. Seraph wollte etwas tun, irgendetwas - aber es gab nichts weiter, um Tier zu helfen, und auch nichts für Jes, Lehr oder Rinnie. Ihr Blick fiel auf die Überreste von Tiers Zaumzeug.
    Sie griff danach und verließ die Bank, weil das Licht näher am Feuer besser war.
    »Was tust du da, Mutter?«, fragte Lehr.
    »Ich will sehen, was dieses Zaumzeug mir zu sagen hat«, erklärte Seraph viel selbstsicherer, als ihr zumute war. Sie hatte ihre Weisung viel zu sehr

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