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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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nichts voran. Als er
endlich an der Reihe war, warf er Schlüssel, Portemonnaie, Gürtel,
Kugelschreiber, Mobiltelefon in eine Plastikschale und bettete sein Sakko darüber.
Den Laptop legte er in eine zweite. Er lief durch die Sicherheitsschleuse und
sammelte schnell seine Sachen ein, hastete weiter. Als er schon fast am Gate
war, griff er sich an die Hosentasche. Das Portemonnaie mit dem Bargeld und
allen Kreditkarten war weg. Er rannte zurück zur Sicherheitskontrolle.
    Erst als Rudi verzweifelt bat,
alle Behälter noch einmal zu durchsuchen, tauchte seine Brieftasche wieder auf.
Längst war er überzeugt, den Anschluß nach Los Angeles nicht mehr zu
erreichen. Aber wenig später bestieg er nicht nur das Flugzeug; die Boeing wartete
dann noch eine Stunde auf der Rollbahn, bis sie endlich eine Starterlaubnis
erhielt.
    Zu erschöpft, um einschlafen
zu können, schaute er sich Spielfilme auf dem kleinen Monitor an. In Los Angeles
wurde er von einem der Assistenten abgeholt, um zum Abendempfang in ein
Nobelrestaurant gefahren zu werden. Rudi hätte sich am liebsten im Hotel
verkrochen. Er wollte aufs Klo, ins Bad und ins Bett, doch die anderen
Wissenschaftler, von denen die meisten früher angekommen waren, saßen bereits
zu Tisch. Alle erwarteten ihn, erklärte der Assistent. Es dauerte, bis sie
endlich da waren. Er wurde überschwenglich begrüßt. Rudis letztes Buch über
museale Darstellungen von Minderheiten in Europa hatte viel Anerkennung
erfahren. Er war bei den letzten Tagungen aufgefallen. Seit Ethan nicht mehr
erschien, galt er als neuer Name in seinem Forschungsgebiet. Anders als Ethan,
der durch seinen Sarkasmus und seine dunklen Szenarien beeindruckte,
begeisterte Rudi durch seine leichte Ironie und vage Zuversicht. Um so spannender
fanden es alle, daß Rudi für Ethan einsprang. »Hier ist er ja«, rief der
Konferenzleiter ihm entgegen, und zu den anderen gewendet: »Rudi Klausinger
wird nicht nur sein eigenes Referat halten, sondern auch Rosens Einleitungsvortrag
lesen. Sagen Sie, geht es Ethan schon besser? Wir machen uns Sorgen.«
    Das Essen dauerte lange, er
war todmüde. In Israel hatte längst ein neuer Tag begonnen, in Los Angeles
fing der Abend erst an. Nach Mitternacht und ziemlich besoffen fiel Rudi ins
Bett. Am nächsten Morgen fühlte sich sein Schädel an, als wäre er über Nacht
zum Medizinball angeschwollen. Er kam zu spät zum Frühstück. Er war der letzte
im Raum. Alle anderen brachen schon zur Veranstaltung auf. Er rannte ihnen
hinterher. Erst während der Vorstellungsrunde gelang ihm ein Blick in Ethans
Eröffnungsvortrag. Er überflog den Text, wendete die Blätter hin und her, und -
kein Zweifel - er erkannte den Inhalt wieder. Es war der Artikel, aus dem er in
seinem Nachruf auf Dov zitiert hatte.
    Ethan hatte seine provokanten
Thesen in Israel geschrieben, in Osterreich dagegen protestiert, als Rudi sie
aufgriff, und ließ sie jetzt in den USA von ihm wiederholen. Wollte Ethan sich
über ihn lustig machen? Er überflog die Sätze, und alles, was da stand, kam ihm
falsch vor. Er konnte hinter diesen Worten unmöglich stehen. Er hatte nun
Wochen bei Felix und Dina verbracht, von ihnen viel Neues über Dov Zedek
erfahren und auch selbst noch über ihn recherchiert. Nicht nur das: In diesem
Museum in Los Angeles konnten Ethans Theorien nur verrückt wirken. Sie riefen
hier nicht dieselben Assoziationen hervor wie in Israel oder Österreich.
    Er las den Text im wahrsten
Sinne des Wortes herunter, ein Satz wurde geleiert, der nächste geseufzt, der
dritte gemurmelt, doch das Auditorium verstand seinen Stil als Inszenierung und
passende Darbietung der spöttischen Gedanken. Ihm wurde gratuliert, seine
Präsentation besonders gewürdigt, und dann wurde er gebeten, gleich
fortzufahren, denn nun beginne mit seinem Papier das erste Panel. Rudi war
voller Zorn. Nicht gegen Ethan richtete sich seine Wut, sondern gegen die
Kollegen, die nicht begriffen, wie verkehrt alles gewesen war, was sie soeben
gehört hatten. Er änderte deshalb seinen eigenen Vortrag ab. Rudi antwortete
den Zweifeln, die Ethan geäußert hatte, und betonte die Notwendigkeit der
Erinnerung über alle Grenzen und Kulturen hinweg. Er widersprach Ethans Thesen,
aber nur indirekt und ohne ihn zu nennen. Die Begeisterung für diese virtuelle
Doppelconference führte zu Zwischenapplaus, Nicken und Gelächter. Ein Wissenschaftler
aus Florida, eine aufgepumpte Gestalt in Anzug und Krawatte, wisperte: »I love it«,
worauf ein

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