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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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Texten - Aufsätzen, Vorworten und
Besprechungen. Er ließ sich bei seinen Studien durch nichts stören, schaltete
das Telefon nicht aus, las zwischendurch die neuen Nachrichten, und die Tür zu
seinem Zimmer stand offen. Die Einflüsse von außen inspirierten ihn, lenkten
ihn nicht ab, sondern brachten ihn offenbar ständig auf neue Ideen. Freizeit
und Beruf zu trennen, konnte er sich gar nicht vorstellen. Als er zerstreut zum
Konzert erschien, war Noa überzeugt, er denke noch an seine Arbeit.
    In der Pause brachte Felix
jedem ein Glas Sekt. Er sagte: »Ich freue mich so, mit euch hier zu sein. Ihr
wißt gar nicht, wie sehr. Schade nur, daß Rudi heute keine Zeit hat.« Noa sah,
wie Ethan den Mund verzog. Sie wunderte sich. Ethan war in den letzten Tagen
gegenüber dem Halbbruder aufgetaut. Gemeinsam waren sie über Rabbi Berkowitsch
und seinen Erlösungsplan hergezogen und hatten über Kollegen gespottet. Als
Rudi beiläufig erklärte — sie hatten nachts in einer Strandbar Bier getrunken
-, er werde die Stelle in Wien keinesfalls antreten, weil er gar nicht daran
denke, mit dem eigenen Bruder zu konkurrieren, schien der Bann gebrochen.
Ethan beteuerte nun, es gehe ihm gar nicht um die Stelle, und Rudi nickte: »Ich
weiß. Mir auch nicht. Im Grunde ging es nie darum.«
    Nach dem Konzert bestand Felix
darauf, noch zusammen zu essen. Er schlug vor, in ein französisches Restaurant
nach Jaffa zu fahren, das in einem alten arabischen Haus eröffnet worden war.
Dina klatschte begeistert in die Hände. Noa fragte, ob es denn für Felix nicht
zuviel wäre, doch der winkte ab und versuchte, Rudi zu erreichen, der nicht
ans Telefon ging. Felix sprach ihm auf Band, er möge hinzukommen.
    Die Küche war dann zwar
weniger französisch als marokkanisch, aber es schmeckte um so besser. Felix
bestellte nicht nur für sich, sondern wollte eine riesige Vorspeisenplatte und
danach zusätzliche Beilagen für alle. Als Dina ihn anfuhr, daß niemand soviel
essen könne, sagte er:
    »Laß das meine Sorge sein.«
Und so war es auch. Er sorgte dafür, daß nichts übrigblieb, und tat, als sei er
keiner Diät unterworfen. »Bist du verrückt«, schrie Dina ihn an, aber er
verschwendete keinen Gedanken an seine kaputte Niere. »Und nun zur
Hauptspeise«, rief er, als es zum Dessert ging. Alle winkten ab, aber er nahm
sich noch eine Creme Caramel.
    Bereits auf dem Heimweg fing
es an. Felix ächzte. Noa mußte an den Rand fahren. Er stieg aus dem Auto und
kotzte alles aus sich heraus. Dann brach er zusammen und japste nach Luft. Dina
redete auf ihn ein. Noa öffnete sein Hemd und fächelte ihm Luft zu. Ethan stand
abseits, holte das Telefon hervor und rief den Notarzt. Felix lag da, als
würden die einzelnen Teile seines Körpers nicht zueinandergehören. Noa mußte an
den Ochsen denken, der in ihrem ersten Sommer in Tirol geschlachtet worden war,
wie das Tier in den letzten Sekunden vor sich hin geschnaubt, wie es die Augen
verdreht hatte und fast nur mehr das Weiße sichtbar gewesen war, als stülpe
sich eine Folie über die Pupillen.
    Noa sah Felix sterben, sah,
wie sein Blick stumpf wurde, wie er verschwamm und wie Felix unterging. Dina
schlug sich auf den Mund und beugte sich zu ihm hinunter, spuckte Küsse auf
seine Hand, strich über seine Wange und schrie nichts als seinen Namen.
»Felix!«
    Ethan sprach mit der
Einsatzzentrale, nannte den Ort. Er umrundete den Wagen, um zum Kofferraum zu
gelangen. »Wo ist das Pannendreieck, Dina?« Sie schaute ihn an, als käme er
von einem anderen Stern. Der Krankenwagen war schnell da, und kaum war der
Notarzt ausgestiegen, kam Felix wieder zu sich. Der Mediziner meinte, es wäre
nur ein Kreislaufkollaps. Nichts Ernstes. Das Elektrokardiogramm zeige keine
Unregelmäßigkeiten. Er wolle den Patienten dennoch zur Beobachtung mit in die
Klinik nehmen. Felix aber zerrte an dem Mantel des Arztes und stieß hervor:
»Mir fehlt nichts. Nur zuviel gefressen. Nach Hause.«
    Sie redeten auf ihn ein.
»Felix!« Sie beschworen ihn, er möge sich untersuchen lassen, aber er
schüttelte den Kopf.
    »Vater, hör auf, verrückt zu
spielen. Du hattest einen Anfall!«
    Felix rappelte sich auf.
Alleine. Er sah sie an, Dina, Noa, den Arzt und Ethan, als hätten sie ihn
niedergeworfen, als stemme er sich gegen sie alle hoch. Zurück in der Wohnung,
legte er sich sofort hin und schlief ein. Ethan und Noa blieben bei Dina. Sie
waren zu aufgewühlt, um zu gehen.
    Laila, laila. Nacht für Nacht.
Dina schaut zu, wie

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