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Rabinovici, Doron

Rabinovici, Doron

Titel: Rabinovici, Doron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anderrnorts
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sei dein Vater? Sind wir dem Herrn
aus Osterreich nachgerannt oder er uns? Du bist ihm nachgelaufen. Sogar als
Felix im Spital war. Halbtot!«
    »Du übertreibst, Dina. Ich war
nicht tot.«
    »Ein Brief nach dem anderen.
Die Bewerbung am Institut. Der Nachruf auf Dov! Der verzweifelte Sohn. Das
verlassene Kind. Ein einsamer Balg. Er wollte das Ammenmärchen. Er wollte es
von uns.«
    »Ihr hättet es trotzdem nicht
tun dürfen«, sagte Ethan.
    »Was war, um Gottes willen, so
schlimm daran? Ist Felix nicht der Vater dieser Familie? Gibt es nur eine Wahrheit?«
fragte Dina.
    Rudi stellte seine Tasche ab.
Der Koffer stand in der Garderobe. In diesem Moment dachten alle, er würde
nicht gehen. Er kam nicht los von ihnen. Er würde bei Felix und Dina bleiben.
Erst diese Nacht. Dann einen weiteren Tag. Und hierauf noch einen. Dina sagte:
»Sind wir also Lügner?«
    »Das habe ich nicht behauptet.«
    »Ich aber. Wir sind Lügner! Na
und? Wollten wir einen Mord vertuschen? Wir wollten eine Familie gründen. Eine
Familie nach Auschwitz.«
    Rudi höhnte: »Immer das
Niemals-vergessen! auf den Lippen. Aber dann die üblichen Ausreden.
Jugendreisen nach Auschwitz, um die Erinnerung hochzuhalten. Aber die eigene
Vergangenheit fälschen ...«
    Felix richtete sich auf. Er
ächzte: »Ich brauche mich nicht zu rechtfertigen für meine Erinnerung. Ich muß
mir das nicht vorwerfen lassen. Nicht das. Nicht in meinem Haus. Du wolltest
gehen. Ich halte dich nicht auf. Ich nicht!«
    Als hätte er nur auf dieses
Wort gewartet, rannte Rudi in die Garderobe: »Bin schon weg!«
    Er versuchte, den Koffer
hochzuheben, aber statt dessen riß der Griff ab. Er schleuderte ihn auf den
Boden und zog das schwere Gepäckstück an einem Riemen hinter sich her.
    Noa rief: »Felix, laß ihn
nicht so gehen.« Felix, käsig, zittrig, schrie: »Mir meine Erinnerung vorwerfen!«
    Ethan fragte: »Seid ihr alle
verrückt geworden?«
    »Wir? Er will doch gehen!«
    »Ihr seid ja alle nicht
normal!«
    Felix blähte die Backen und
atmete schwer.
    Ethan packte den Koffer und
sagte: »Komm, Rudi, das hier ist nicht auszuhalten. Komm. Noa.«
    Sie musterte die beiden
Männer: »Ich bleibe da.«
    Später würde Ethan behaupten,
er sei es nicht gewesen, der das Gepäck hinausgeschleppt und den andern hinter
sich hergezogen hatte. Aber Noa sah genau, daß Ethan die Initiative ergriff,
für die Rudi zu unentschlossen war. Sie sah die Verwirrtheit in Rudi Klausingers
Gesicht, und sie sollte sich noch Jahre später fragen, was geschehen wäre, wenn
Ethan nicht trotzig vorangestürmt wäre.
    Dina schüttelte den Kopf.
Felix ächzte und griff sich ins Kreuz, als fühle er wieder den alten Schmerz.
Noa nahm das Glas Whiskey zur Hand, das Ethan stehengelassen hatte, und trank
es leer. In einem Zug.
    Felix keuchte. Er saß da, als
hätte ihn ein Auto überrollt. Er flüsterte: »Wir wollten ihm einen Gefallen
tun!«
    Daraufhin Dina: »Das war der
Fehler. Reg dich bloß nicht auf. Aus und vorbei. Vergiß es.« Sie legte das
Mobiltelefon weg und griff zur Fernbedienung. Sie drückte den Knopf und
schaltete die Lautstärke hoch. Der Gesang schwoll an. Laila, laila, haruach
goveret.
     
    9
     
    Er warf das Gepäck in den
Kofferraum. Sie stiegen in den Audi von Felix. Ethan ließ den Motor an, parkte
aus und preschte los. Die Reifen quietschten über den Asphalt der Tiefgarage.
Der Boden war frisch gestrichen. Rasengrüne Flächen, von signalgelben Linien
unterteilt. Er drückte auf den alarmroten Knopf der Fernbedienung, und das Tor
schwang hoch, gleichzeitig senkten sich draußen Pfeiler in den Beton. Ethan
grüßte in die Videokamera. In der Loge im Erdgeschoß versah der Portier seinen
Dienst und würde ihn, den Sohn von Felix Rosen - aber war er das überhaupt? — erkennen.
    Das Fahrzeug schoß die
Ausfahrt hoch. Er war voller Wut. Nichts hatten sie verstanden. Diese
Selbstgerechtigkeit trotz der jahrelangen Lügen! Sie waren bereit gewesen, ihn
dumm sterben zu lassen. Sie hatten ihm die Wahrheit vorenthalten wie einem
unmündigen Kind. Und welche Ausreden sie bemühten! Sie hätten nur das Beste für
ihn gewollt. Klar. So war es von jeher. Sie bestimmten, was das Beste war.
    Sie rechtfertigten sich damit,
eine Familie, einen Staat, eine Welt gegründet zu haben. Immer und überall lief
es gleich. Zunächst wurde geleugnet, was geschehen war. Dann wurde gesagt, es
sei ohnehin besser, nicht daran zu rühren. Dann das Gejammer: Kaum sei Gras
über die Geschichte gewachsen, komme

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