Rache - 01 - Im Herzen die Rache
eine Weile da, hielten sich fest und schnieften vor sich hin.
Dann zog Em Gabby ins Wohnzimmer und setzte sie auf die Wildledercouch. Die Winters benutzten diesen Raum nur selten – der größte Teil ihrer begrenzten gemeinsamen Familienzeit spielte sich im Fernsehzimmer auf alten gemütlichen beigefarbenen Sofas ab. Diesen Raum hingegen verband Em immer mit Feiertagen und mit Gedichteaufsagen für ihre Großmutter.
»Warte hier«, sagte sie, als Gabby Platz genommen hatte. Dann ging sie in die Küche und durchwühlte die Schränke nach der Dose mit dem Kakaopulver. Die zwei Minuten und dreißig Sekunden, die es dauerte, bis die Mikrowelle das Wasser erhitzt hatte, kamen ihr wie eine Ewigkeit vor. »Bin gleich wieder da, Gabby!«, rief sie und trat vor dem brummenden Gerät ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Sie war ja so froh, dass Gabby hier war, in ihrem Wohnzimmer, auf ihrer Couch saß, sie hätte glatt wieder losheulen können. Ein Teil von ihr wollte ihr am liebsten das Herz ausschütten und erzählen, dass so ein unheimliches blondes Mädchen in ihrem Garten herumschlich, doch sie wusste nicht, wie sie es sagen sollte. Und Gabby brauchte sie offensichtlich.
Em dachte darüber nach, was Drea gesagt hatte: Wenn du so weit bist und reden willst, komm zu mir. Oh ja, sie war so weit. Sie war so weit zu erfahren, was Drea wusste, was zum Teufel hier ablief und wie man es ein für alle Mal stoppen konnte. Aber morgen war noch genug Zeit, um zu Drea zu gehen und herauszufinden, was eigentlich los war. Heute Abend galt es erst einmal, die Operation ›Wie-gewinne-ich-Gabby-zurück‹ in Angriff zu nehmen.
Es war sicher ein gutes Zeichen, dass sie hier war. Wenn sie sich wieder versöhnen könnten, wäre das alles vielleicht einfach vorbei.
Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer kontrollierte Em zur Sicherheit noch mal, ob die Haustür auch wirklich abgeschlossen war. Dann ließ sie sich neben Gabby auf dem Sofa nieder und stellte beide Becher mit heißem Kakao auf den Couchtisch.
»Deine Cabo-Tasse aus dem Urlaub ist mir kaputtgegangen«, sagte sie schuldbewusst, als hätte Gabby überhaupt Notiz davon genommen, dass sie nur aus einem einfachen weißen Kaffeebecher trank.
Gabby antwortete nicht, nahm lediglich eine der dampfenden Tassen und pustete in die heiße Schokolade, während sie starr auf den Fußboden blickte.
»Ich … ich hab diese ganz speziellen Lakritzbonbons aus Spanien mitgebracht«, sagte sie mit zitternder Stimme, »und ich hab sie noch nicht mal mit dir teilen können.«
Em nickte. Sie wusste, was ihre Freundin meinte. Gabby und sie hatten beide eine Vorliebe für alle möglichen Lakritzsorten. Aber sie aßen es nie alleine. Immer nur gemeinsam.
Von draußen war ein Geräusch zu hören, ein Rascheln. Em verstummte und lauschte angestrengt. Doch bis auf Gabbys Schniefen war alles wieder ruhig.
»Hast du sie aufgehoben?«, fragte sie.
»Ja, es sind noch ein paar übrig. Zach mag ja kein Lakritz, weißt du –« Gabby sprach nicht weiter und fing wieder an zu weinen. Em sah eine Träne in den Kakao fallen. »Ich habe mich total in ihm geirrt«, fuhr Gabby schließlich fort. »Nachdem ich ihn mit dieser – wer auch immer das war – gesehen hatte, bin ich zu ihm gefahren und hab auf ihn gewartet. Als er aufgetaucht ist, habe ich ihn deswegen zur Rede gestellt. Hab ihn richtig runtergeputzt. Und da hat er es mir gesagt –« Em merkte, dass Gabby ihr nicht in die Augen schauen konnte, dass sie sich schämte.
»Was hat er dir gesagt?«, bohrte sie weiter.
»Dass es stimmt, dass er sich mit anderen Mädchen getroffen hat. Und wer weiß, was sonst noch. Dass es ihm leidtue und so ’nen Mist. Hat irgendwas gelabert, dass er sich nicht entscheiden könne. Und ich hab meine Ohrringe nach ihm geworfen – die, die er mir zu Weihnachten geschenkt hat – und bin weg. Und hierhergekommen.«
An ihrem Tonfall war zu hören, dass sie das getan hatte, weil sie es für die einzige Möglichkeit hielt.
»Gabs, ich bin froh, dass du hier bist.« Das war Em wirklich.
»Ich weiß gar nicht mehr, wem ich noch vertrauen kann.« Gabby legte den Kopf in die Hände.
»Mir kannst du vertrauen«, erwiderte Em und spürte den Schmerz in ihrer Brust pochen, den Schmerz, weil sie Gabby so sehr vermisste.
Gabby blickte ihr fest in die Augen. »Wirklich?«
Em beugte sich vor und wünschte sich sehnlichst, Gabby möge ihr glauben. »Ja, du kannst mir vertrauen. Ich weiß, das ist im Augenblick vielleicht
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