Rache - 01 - Im Herzen die Rache
Dunkelheit lief.
Die Sackgasse lag nun weit hinter ihm, obwohl er nur an zwei oder drei Häusern vorbeigegangen war. Kein Wunder, dass nie jemand Minster die Cops auf den Hals hetzte. Kein Mensch hörte überhaupt etwas von der Party. Nicht so wie in seinem Stadtviertel – wenn man das überhaupt so nennen konnte. Da konnte man nicht mal die Klospülung betätigen, ohne dass alle es mitkriegten.
Endlich kam er bei seinem Wagen an. Seine Finger waren inzwischen vor Kälte ganz taub. Er nestelte an den Schlüsseln herum – ließ sie auf die Straße fallen und hob sie gerade fluchend wieder auf –, als er ganz in der Nähe helle Stimmen hörte. Er spähte in die Dunkelheit.
»Hallo?«
Aus dem nebligen Schneegestöber kam erst ein Mädchen zum Vorschein, dann folgten zwei weitere. Chase fiel unwillkürlich die Kinnlade herunter; die Bräute waren absolut der Hammer. Die erste, eine Rothaarige mit blassem Teint, lächelte. Die anderen beiden – die eine weißblond und mit eher weiblicher Figur, die andere zierlich, mit honigblonden Locken und einem roten Band, das sie eng um den Hals gebunden trug – standen mit ernster Miene auf den wunderschönen Gesichtern hinter ihr. Alle drei schienen in ein seltsames weißes Licht gehüllt; wahrscheinlich war das nur der Mond, der seine Spielchen mit dem Schnee trieb.
Oder war er vielleicht doch betrunkener, als er angenommen hatte?
»Hey, tut uns leid, wenn wir dich erschreckt haben«, sagte die Rothaarige und trat einen Schritt auf ihn zu. Dabei fiel ihm eine einzelne schneeweiße Strähne auf, die sich links von ihrem Gesicht deutlich von ihren Haaren abhob.
»Ich bin Ty. Und das sind meine Cousinen Ali und Meg.«
»Ähm, hi. Hallo. Ich bin Chase.«
»Hi, Chase«, antworteten alle drei Mädchen quasi im Chor.
»Uns ist der Sprit ausgegangen.« Ty machte eine Bewegung in Richtung Straße, wo Chase in einiger Entfernung die Umrisse eines Autos zu erkennen glaubte. »Könntest du uns vielleicht helfen?« Für ein Mädchen, das gerade in einem Schneesturm stecken geblieben war, machte es einen ziemlich entspannten Eindruck.
»Soll ich euch, ähm, zur Tankstelle fahren oder so?«
»Das wäre super, vielen Dank«, erwiderte Ty. »Wie wär’s, wenn ich mit dir fahre und Ali und Meg im Auto auf uns warten?«
Chase war eigentlich nicht der Typ für irgendwelchen Esoterik-Kram – seine Mom war ein paarmal bei einem Hellseher gewesen und jedes Mal wenn sie zurückkam, hatte sie diesen Vodoo-Scheiß über »Affirmationen« und Chakren gelabert. Dennoch hatte er jetzt für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl, dass dies hier Schicksal war – ein Zeichen des Universums. Klar, die Party war vielleicht ’ne Pleite gewesen – die Neuigkeit über Sasha war so ziemlich das Maximum an Spaßbremse und er war überhaupt nicht in Form gewesen, um ein paar Telefonnummern zu ergattern oder irgendwen abzuschleppen –, doch jetzt würde er ganz alleine Zeit mit dem schärfsten Mädchen verbringen, das er jemals gesehen hatte. Das war Schicksal, eindeutig.
Alles würde gut werden.
»Hier war also heute Abend eine Party?«, erkundigte sich Ty, als sie im Auto saßen. Er konnte kaum dem Drang widerstehen, ihr die Schneeflocken aus den Haaren zu wischen, sich zu ihr hinüberzubeugen und ihren Duft nach Moschus und Blüten einzuatmen. Nachdem er den Wagen angelassen hatte, kam es ihm vor, als startete er ein Raumschiff, um in die Nacht, in den Schnee zu fliegen. Er und Ty würden die Finsternis erforschen, verschlungene Wege und karge, von Büschen umsäumte Felder.
»Ja, so ’ne Art Weihnachtsfeier«, antwortete er und hätte sich am liebsten in den Hintern getreten, weil das so uncool klang. Wahrscheinlich stellte sie sich jetzt Leute vor, die in albernen Elfenkostümen herumhüpften. »Bloß ein paar Bekannte von mir, weißt du«, fügte er rasch hinzu. Er war sich sicher, dass das Mädchen schon aufs College ging.
»Hat bestimmt Spaß gemacht. Ich liebe Partys«, sagte sie und lächelte ihn im Dunkeln an. »Wünschst du dir nicht auch, in die Vergangenheit reisen und auf Feste gehen zu können wie vor hundert Jahren? Mit Tanzkarten und formellen Einladungen und einstudierten Tänzen? Oder auf Maskenbälle? Ich würde ja so gerne einmal auf einen Kostümball gehen. Du nicht auch?«
»Total gerne«, erwiderte er und war froh, dass sie nicht dabei gewesen war, als er das Bier-Pong-Spiel anleiern wollte. »Studierst du, ähm, Geschichte oder so was in der Art?«
»So was in der
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