Rache - 01 - Im Herzen die Rache
nicht vom Fleck und hielt sich bedeckt, während das Kaminfeuer sonderbare Schatten auf ihre Gesichter warf.
Chase verdrehte die Augen. »Vielleicht hättest du dir das alles überlegen sollen, bevor du das hier ausgezogen hast«, antwortete er und warf ihr den BH zu. Sie fing ihn auf und wandte sich ab, um sich anzuziehen. Emily benahm sich, als hätte Chase noch nie ein halb nacktes Mädchen gesehen. Er stand da und beobachtete die Szene teils amüsiert, teils irritiert. Zach erhob sich und zog sein T-Shirt an.
»Was gibt’s, Alter? Waren wir verabredet?« Er versuchte, locker zu klingen. Sprach vielleicht ein wenig lauter als sonst – und bemühte sich, Emilys Schniefen zu übertönen.
»Nein, ich, äh … ich dachte, du hättest vielleicht Bock, was zu unternehmen oder so. Wusste ja nicht, dass du Besuch hast.«
»Chase«, sagte Em, inzwischen komplett angezogen, und blickte ihn an. Sie war ganz blass. Chase hatte sie noch nie so aufgewühlt gesehen. »Bitte.«
Dann drehte sie sich um und verließ das Zimmer, ohne noch ein Wort zu einem von beiden zu sagen. Chase sah zu, wie sie ging – und wie Zach sie gehen ließ.
»Em. Warte!« Zach machte Anstalten, ihr zu folgen, blieb jedoch stehen, als er die Haustür zufallen hörte. Er wandte sich an Chase. »Hör zu, ich muss das ja sicher nicht extra erwähnen, aber ich steh immer hinter dir, stimmt’s? Und ich will, ich will wirklich nicht … du weißt schon. Wegen Gabby. Das darf auf keinen Fall rauskommen.«
Auch wenn Chase an diesem Szenario eigentlich nichts mehr schocken konnte, verursachte Zachs Gesichtsausdruck – beinahe, als sei die Sache fast schon Schnee von gestern – ihm doch Übelkeit. Normalerweise war ihm so etwas egal. Doch jetzt brachte er als Antwort nur ein Nicken zustande.
»Hey«, begann Zach wieder. »Ich würd ja gern was mit dir unternehmen, aber ich muss sie nach Hause bringen. Sie hat keinen fahrbaren Untersatz dabei.« Er schob sich an Chase vorbei zur Tür. »Sind wir uns einig?«
Plötzlich wollte Chase nur noch weg. Er hatte die Nase voll davon, ständig den Komplizen zu spielen, immer derjenige zu sein, der dichthielt. Er wusste, dass er Zach alles verdankte. Ohne ihn hätte er es an der AHS zu nichts gebracht. Und trotzdem hatte er langsam das Gefühl, es sich nicht mehr länger leisten zu können, diese Schuld zurückzubezahlen.
»Ich fahr sie heim«, sagte er kurzerhand und bemühte sich, den Ekel in seiner Stimme nicht durchklingen zu lassen. »Du hast sicher Wichtigeres zu tun.«
Die ersten Minuten der Autofahrt verliefen schweigend. Chase hörte Emily noch ein paarmal schluchzen, glaubte aber nicht, dass sie wirklich weinte – wenn er es sich recht überlegte, hatte er Winters überhaupt nur einmal weinen sehen, und zwar im Englischunterricht in der neunten Klasse, als sie Im Westen nichts Neues durchgenommen hatten und sie anfing, über die Soldaten zu reden, die sich mit ihrem traurigen Schicksal abgefunden hatten. Das musste Chase ihr lassen – Em wusste, wovon sie sprach, zumindest wenn es um Literatur ging.
Em wandte sich ihm zu und er sah, dass ihre Wangen ganz feucht waren. Die langen Haare hingen ihr in Strähnen ums Gesicht, während sie zusammengesunken dasaß und einen Fuß auf das Armaturenbrett gestützt hatte.
»Also, alles okay mit dir?«, erkundigte Chase sich.
Sie schniefte und putzte sich die Nase. »Ich … ich brauche bloß ein bisschen Zeit, um mir darüber klar zu werden, wie ich damit umgehen soll. Mit … all dem.«
»Das wirst du schon. Dir darüber klar werden, meine ich.« Chase rutschte auf dem Sitz hin und her, irgendwie war sein Sicherheitsgurt zu eng. Er mochte Em nicht einfach so abladen und dann verschwinden, doch er musste sich noch auf sein Date mit Ty vorbereiten.
»Du behältst es also für dich? Das mit Zach und …« Em verstummte und blickte ihn mit einer Mischung aus Hoffnung, Scham und Verlegenheit an.
Chase stöhnte. »Ja, meinetwegen, geht klar.«
Em stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und sank noch ein bisschen mehr auf ihrem Sitz zusammen. »Danke, Chase. Das ist wirklich … Danke. Du hast echt was bei mir gut.« Sie nickte entschieden. »Was immer du brauchst, ich helfe dir. Bei den Hausaufgaben oder bei sonst was.«
»Ich glaub nicht, dass du mir wirklich die Hilfe geben kannst, die ich brauche«, sagte Chase, den Blick starr nach vorn aus der Windschutzscheibe gerichtet.
»Wieso denn? Was meinst du damit?«, fragte Em. Sie wischte sich jetzt
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