Rache - 01 - Im Herzen die Rache
noch rausstellen.«
Als JD fort war, ging sie zurück in die Küche. Sie machte sich einen Tee ›Beruhigende Kamille‹, genau das, was sie jetzt brauchte, und goss ihn in den Becher, den Gabby ihr letztes Jahr aus Cabo mitgebracht hatte. Caliente! stand in neonpinken Buchstaben auf der einen Seite. Und auf der Karte, die Gabby dem Geschenk damals beigelegt hatte, war zu lesen: Für eine der heißesten Mamacitas, die ich kenne. Em hatte die Karte noch; sie gehörte zu den Erinnerungsstücken, die sie an den Rahmen ihres Spiegels geklebt hatte.
Gabby würde sie verstehen. Sie musste einfach.
Em blies in den heißen Tee, tauchte geistesabwesend den Teebeutel immer wieder unter und griff dann in den Schrank, um ein wenig Honig herauszuholen.
Plötzlich schlug das Fenster über der Spüle auf und ein heftiger Windstoß brauste in die Küche. Der Becher flog splitternd zu Boden und der heiße Tee spritzte auf Ems Sweatshirt. Sie rang nach Luft und langte mit zitternden Händen hinüber, um das Fenster wieder zu schließen. Einen Augenblick lang hörte es sich an, als würde jemand weinen. Sie schaute nach draußen. In der Ecke des Vorgartens schwankten zwei Kiefern hin und her. Und ein weiterer heftiger Windstoß ließ den Schnee von ihren Ästen stieben. Ansonsten war der Garten ganz still. Em blieb noch ein Weilchen stehen, außerstande, das unheimliche Gefühl loszuwerden, das über sie hereingebrochen war. Sie flüsterte die erste Zeile ihres Gedichtes: »Wie ein plötzlicher Schauder ergreifst du mein Herz. «
Als sie »Unerreichbar« geschrieben hatte, war ihr gar nicht aufgefallen, wie unheimlich diese Worte klingen konnten.
Kapitel 10
Chase fühlte sich ganz benommen. Verwirrt und benommen nach einer schlaflosen Nacht. Er hatte sich dauernd hin und her gewälzt und wie ein Besessener sein Handy nach einem Anruf von Ty oder einer Antwort auf seine SMS gecheckt. Geht’s dir gut?, hatte er geschrieben. Können wir uns diese Woche wieder sehen? Keine Antwort. Bloß ein Anruf von Zach, den er weggedrückt hatte.
Und jetzt war er auf dem Weg zu einem Footballmeeting – einem Abschlusstreffen zum Saisonende bei Trainer Baldwin zu Hause –, bei dem von ihm erwartet wurde, dass er voll bei der Sache war. Im nächsten Jahr würde er Mannschaftskapitän sein, Senior Quarterback in der Startaufstellung. Ohne Witz.
Er legte den Kopf erst zur einen Seite, dann zur anderen und streckte dabei den Hals. Er checkte noch einmal sein Handy. Nichts. Also gut. Er schwor sich, es im Wagen zu lassen und erst wieder nach dem Meeting draufzugucken. Er hoffte, dass es nicht länger als eine Stunde dauern würde.
Kaum hatte er Trainer Baldwins Haus – eine ausladende Ranch ganz in der Nähe von Emilys Haus – betreten, spürte er es: diese eigenartige Atmosphäre.
»Da kommt ja unser Almosenempfänger!«, rief Carl Feder, ein Runningback. Chase schaute sich um, um sicherzugehen, dass Feder mit ihm sprach. Einige der Jungs lachten, andere wendeten den Blick ab.
»Hey, Singer«, kam es von Andy Barton. »Brauchst du noch Geld für deine Maniküre?«
Und quer durchs Zimmer eine andere Stimme: »Du bettelst wohl um eine gute Abschlusssaison?«
»Das wird es sowieso«, erwiderte Chase grinsend.
»Die College-Scouts mögen es gar nicht, wenn man bettelt, Singer.« Das war wieder Barton, der mit einem Teller Lasagne in der Hand in der Ecke saß.
Irgendwie unterschieden sich diese gehässigen Bemerkungen von den üblichen Frotzeleien des Teams. »Was soll das?«, fragte Chase, ohne jemand Bestimmten anzusprechen.
Sean Wagner kam angeschlurft und hielt Chase sein Handy vors Gesicht. Darauf war ein Foto von ihm vom vorigen Abend zu sehen. Dem Schnee-Engel-Abend. Chase erkannte sich selbst darauf, wie er auf dem Boden kniete, die Hände gefaltet und mit flehendem Gesichtsausdruck. Ty musste sich offensichtlich gerade außerhalb des Bildausschnitts befinden. Ty. Er registrierte kaum, wie peinlich es war, in dieser Pose fotografiert worden zu sein – Chase, dessen ganzes Leben sich darum drehte, nicht gedemütigt zu werden. Er konnte nur an ihren Namen denken. Ty. Ty. Ty. Wie eine Beschwörung oder eine Zauberformel.
Er zuckte mit den Schultern und überlegte einen Moment. Dann grinste er. »Habt ihr Typen nichts Besseres zu tun, als mir nachzuspionieren, wenn ich mit einer heißen Braut unterwegs bin?«
»Die ist echt heiß. Saubere Arbeit, Chase«, bemerkte Zach, der gerade mit einem vollbeladenen Teller Nudeln und Salat
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