Rache auf leisen Pfoten
hätte, wäre mir nie klar geworden, was für ein Trottel ich war. Vielleicht können andere lernen, ohne ein derartiges Chaos anzurichten, aber ich glaube, ich wäre nie erwachsen geworden, wenn ich jene Zeit nicht durchgemacht hätte. Das Bedauerliche daran ist, dass du sie auch durchmachen musstest.«
Harry lehnte an der Schindelverkleidung des Postamts, das Holz wärmte ihr den Rücken. Alle drei Tiere sahen zu ihr hoch. Sie blickte zu ihnen hinunter, machte den Mund auf, aber es kam nichts heraus.
»Sag was«, ermutigte Mrs Murphy sie.
Harry hob die Tigerkatze hoch und streichelte sie. »Ich nehme an, es gibt keine andere Methode, um zu lernen. Ich weiß nicht, was schlimmer ist, derjenige zu sein, der geht, oder derjenige, der bleibt. Klingt das einleuchtend?«
»Irgendwie schon«, antwortete Boom Boom. »Wir sind so verschieden, Harry, wenn das nicht passiert wäre, wären wir trotzdem keine guten Freundinnen. Ich lasse mich von Gefühlen leiten, und du, du bist viel logischer.«
»Ich entschuldige mich für meine Grobheiten. Und ich nehme deine Entschuldigung an.«
»Mom wird endlich erwachsen.« Tucker war sehr stolz auf ihren Menschen.
Ehe sie noch mehr sagen konnten, öffnete Mrs Hogendobber die Hintertür. »Cynthia Cooper ist da, sie will mit Ihnen allen sprechen.«
Sie marschierten wieder hinein. Ihnen war ein wenig beklommen zumute.
Cynthia entging das nicht, und nach ein paar freundlichen Worten erkundigte sie sich nach der Foto-Sitzung, fragte, ob ihnen an Charlie etwas Ungewöhnliches aufgefallen sei, ob sie sich irgendwelche Gedanken darüber gemacht hätten.
Ein jeder bestätigte, was die anderen sagten. Nichts war anders gewesen. Charlie war Charlie.
Cooper steckte den Notizblock in ihre Gesäßtasche. »Harry, ich muss dich allein sprechen.« Sie schob Harry hinaus zum Streifenwagen. Mrs Murphy und Pewter beobachteten sie durchs Fenster. Von ihrem erhöhten Platz auf der Trennklappe konnten sie alles deutlich sehen.
»Was geht da vor?«, fragte Tucker, die gespannt aus dem Fenster sah.
»Mutter macht ein finsteres Gesicht, sie redet und gestikuliert wie wild.«
»Das sehe ich. Ich meine, was geht wirklich vor?«, blaffte der Hund.
»Hm-m-m.« Pewter blinzelte, der Gang der Ereignisse wollte ihr nicht gefallen.
Die Klimaanlage im Streifenwagen surrte. Auf dem Sitz lagen leere Kartoffelchipstüten. Harry schob sie auf den Boden.
»Was ist bloß in dich gefahren, als du zu Charlie Ashcraft gesagt hast, er würde eher sterben, als dass du mit ihm schlafen würdest?«
»Also …« Harry bückte sich, hob die Kartoffelchipstüten auf und faltete sie der Länge nach. »Ich habe den Kerl gehasst. Aber du weißt ganz genau, dass ich ihn nicht umgebracht habe.«
»Kannst du sagen, wo du gestern Abend zwischen halb sechs und acht gewesen bist?«
»Klar. Auf der Farm.«
»Kann das jemand bestätigen?« Cooper schrieb etwas in ihren Stenoblock.
»Murphy, Pewter und Tucker.«
»Das ist nicht komisch, Harry. Du stehst ernsthaft unter Verdacht.«
»Ach komm, Cynthia.«
»Du bist Mitglied im Country Club. Es wäre keinesfalls schwierig für dich gewesen.«
»Nein, bin ich nicht«, sagte Harry rasch. »Mom und Dad waren Mitglieder, nach ihrem Tod konnte ich mir den Beitrag nicht mehr leisten. Ich habe einmal im Monat Zugang zum Klub. Gewöhnlich gehe ich mit Susan, wenn sie eine Tennispartnerin braucht.«
»Man würde also deine Anwesenheit im Klub nicht ungewöhnlich finden. Alle kennen dich.«
»Coop, ich will dir was sagen: Diese alten Klatschmäuler, Männer wie Frauen, die haben nichts Besseres zu tun, als Augen und Ohren aufzusperren. Wenn ich dort gewesen wäre, kannst du dich drauf verlassen, dass mich jemand gemeldet hätte, weil ich diesen Monat schon mit Susan gespielt habe. Ich habe die mir zugestandene Zeit schon aufgebraucht.«
Cynthia klappte ihren Block zu. »Glaubst du, du könntest jemanden töten?«
»Klar. In Notwehr.«
»Im Zorn?«
»Vermutlich«, antwortete sie ehrlich.
»Er hat dich sexuell belästigt.«
»Das hat er seit der Highschool getan.«
»Du bist ausgerastet.«
»Nee.« Harry verschränkte die Arme.
Cynthia atmete durch die Nase aus. »Rick wird darauf bestehen, dich für dringend verdächtig zu halten, bis was Besseres auftaucht. Du weißt ja, wie er ist. Also, bleib in Virginia. Wenn ein Notfall erfordern sollte, dass du den Staat verlässt, ruf mich an.«
»Ich geh nicht weg. Jetzt bin ich sauer. Wenn ihr den Mörder nicht findet, finde ich
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