Rache auf leisen Pfoten
Simon – besudelt hat. Deswegen bekommt er jeden Abend Melassefutter und gelegentlich ein Marshmallow. Dann ist er so vollgefressen, dass er nicht sehr weit stromert und für Vögel keinen Platz mehr im Magen hat.«
»Ich sehe schon, Sie sind tierlieb.«
»Mein besten Freunde.« Sie klemmte die Heugabel zwischen die zwei Nägel an der Wand. »Mr Raz …«
»Bitte sagen Sie Tracy zu mir.«
»Danke. Mich nennen alle Harry. Hoffentlich halten Sie mich nicht für neugierig, aber ich muss Sie das einfach fragen. Wie ist Mrs Hogendobber zu dem Spitznamen Knuddel gekommen?«
Sie sahen zu, wie der Bodennebel über die Westweide glitt und die Wiesenstärlinge zu ihren Nestern huschten. Die Wachteln riefen einander zu, und die Fledermäuse kamen unter den Dachtraufen von Harrys Haus hervor. Tracy schwelgte in Erinnerungen an seine Highschool-Zeit mit Miranda.
»Ich liebe Fledermäuse.« Mrs Murphy plusterte ihr Fell auf, als mit dem Bodennebel eine leichte Kälte heranrollte.
»Ich fang nie eine.« Pewter gefiel es, wie sich die Fledermäuse im Zickzack bewegten. Das brachte ihr Blut in Wallung.
»Meine Mutter hat mal eine gefangen«, erinnerte sich Murphy. »Allerdings, als die auf dem Weg nach draußen war. Aber immerhin hat sie sie gefangen. Für mich sind das Mäuse mit Flügeln.«
»Vielleicht sollten wir lieber zuerst die Mäuse im Stall fangen.«
Mrs Murphy ging zu Pewter und schmiegte sich an sie, weil sie fröstelte. »Ich hab sie heute Morgen in der Sattelkammer singen gehört. Ich verstehe ja, wenn sie in der Futterkammer übermütig werden. Aber in der Sattelkammer. Es war demütigend. Zum Glück kann Harry sie nicht hören.«
»Ein erfundenes Lied?«
Die Tigerkatze lachte. »Mit den Piepsstimmen klingt alles irgendwie erfunden, aber es war ›Dixie‹.«
»Wenigstens sind es Südstaatenmäuse.«
»Pewter, das ist ein großer Trost.« Mrs Murphy lachte so laut, dass sie die Menschen unterbrach.
»Es wird langsam frisch, was, Miezekatze?« Harry hob sie auf einen Arm und Pewter auf den anderen. »Pewts, für dich gibt’s heute Abend leichte, gesunde Kost.«
Mit einer Katze auf jeder Schulter ging Harry zurück zum Haus. Tucker blieb Tracy auf den Fersen.
Tracy fuhr fort, wo er aufgehört hatte, als Pewter einen Ton von sich gab, der sich für ihn wie ein Jaulen anhörte. »… eins der hübschesten Mädchen in der Klasse. Natürlich. Frisch.«
»War sie füllig?«
»Äh … vollschlank. Ihr Mädels von heute seid zu dünn. Miranda hat nur so gesprüht. Wir haben nächtliche Ausflüge auf Heuwagen unternommen und sind zu Footballspielen an anderen Highschools gefahren. Ich habe in der Mannschaft gespielt. Hinterher ging’s in unseren alten Klapperkisten zur Schule zurück. Das war ein Spaß. Ich glaube, ich war zu jung, um zu wissen, wie viel Spaß ich hatte. Und der Zweite Weltkrieg war fünf Jahre vor unserem Schulabschluss zu Ende, deshalb fühlten sich alle sicher und großartig. Es war eine unglaubliche Zeit.« Kichernd hielt er Harry die Verandatür auf. »Bei jeder sich bietenden Gelegenheit habe ich mich nahe an Miranda gedrückt, und so habe ich sie Knuddel genannt.«
Die Küchentür hatte offen gestanden, um den Wind einzulassen. Jetzt schlossen sie sie hinter sich, da die feuchtkühle Nachtluft durch das Haus zog.
Harry setzte die Katzen auf die Küchenanrichte. »Eine Kaltluftfront scheint im Anzug zu sein. Der Wind wird stärker. Dies war ein ungewöhnlicher Sommer. Meistens ist es unerträglich heiß, so wie an den letzten Tagen.«
»So was wie einen Virginia-Sommer gibt’s nicht noch einmal, abgesehen von einem Delta-Sommer. Beim Militär war ich einmal ein Jahr in Louisiana stationiert, und ich dachte, ich würde schmelzen. Hitze und Hakenwurmplagen, die Geschichte des Südens.«
»Letztere wurden kuriert. Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbrochen habe. Sie wollten mir von Miranda erzählen.«
»Zu meiner Zeit waren wir alle miteinander befreundet. Mit Sex hatten wir nicht viel im Sinn. Ich war in Miranda verknallt, und wir haben viel gemeinsam unternommen, aber immer als Gruppe. Ich bin mit ihr auf den Abschlussball gegangen. Wissen Sie, ich habe sie geliebt, aber auch das wusste ich damals nicht. Erst Jahre später ging mir ein Licht auf, da war ich schon auf der anderen Halbkugel und habe in Korea gekämpft. Ich wünschte, Sie hätten Miranda als junges Mädchen gekannt.«
»Ich bin froh, dass ich sie jetzt kenne.«
»Sie ist heute nicht mehr so
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