Rache auf leisen Pfoten
die die ältere Dame sorgsam mit Alufolie abgedeckt hatte. Harry stellte die Form in den Kühlschrank.
»Guckt mal!«, trällerte Pewter.
Mrs Murphy sauste mit nach vorn gerichteten Schnurrhaaren zu Pewter, die vor dem Kühlschrank stand. Tucker kam ebenfalls angelaufen, ihre Klauen klickten auf den Dielenbrettern aus Fichtenkernholz.
»Wow, das ist eine Premiere«, rief Tucker.
Harry grinste. »So voll war er nicht mehr, seit Mom tot ist.«
Das Getränkefach war mit Milch, Kaffeesahne, Wasserflaschen und Dortmunder Bier gefüllt. Hühnchen und Steaks lagen in Zellophan verpackt in einem anderen Fach. Das Gemüsefach quoll über von frischem Kopfsalat, Senfkohl, Patissonkürbis und vollkommen runden Kirschtomaten. Auf dem untersten Regal leuchteten akkurat nebeneinandergestellte rote Coca-Cola-Dosen.
Neben dem Kühlschrank war ein Sortiment Katzen- und Hundedosenfutter gestapelt, obenauf lagen ein paar Päckchen mit Leckerbissen.
»Ein Füllhorn an Köstlichkeiten.« Pewter ließ sich auf eine Seite plumpsen, dann wälzte sie sich auf die andere.
»Er muss reich sein, wenn er so viel Futter auf einmal kaufen kann.« Auch Tucker bewunderte das Dosenfutter.
»Es ist unglaublich.« Murphy schnurrte aufgeregt angesichts all dieser Leckereien.
Harry schloss die Tür, drehte sich um, um sich im Spülbecken die Hände zu waschen, und sah ihr Jahrbuch und ein Jahrbuch von 1950 nebeneinander auf dem Tisch liegen. Sie schlug das 1950er-Jahrbuch auf und las oben rechts Tracys Namen in jugendlicher Schrift. Ihr eigenes Jahrbuch war mit Papierstreifen markiert. Sie schlug es bei jedem Streifen auf. Tracy hatte alle Fotografien gekennzeichnet, auf denen Charlie Ashcraft und Leo Burkey abgebildet waren.
Sie klappte das Buch zu und ging hinaus, dorthin, wo das Hämmern zu hören war.
Tracy hatte sein Hemd ausgezogen und war dabei, schadhafte Zaunlatten durch gute, druckimprägnierte Eichenbretter zu ersetzen, die er säuberlich in einer Koppel gestapelt hatte.
»Tracy, Sie müssen eine gute Fee sein, das heißt, das männliche Pendant.« Sie lächelte.
Er schob seinen Cowboyhut zurück. »Eiche hält länger.«
»Bitte geben Sie mir die Rechnung für das Holz und die Lebensmittel. Sonst komme ich mir vor, als würde ich Sie ausnutzen.«
»Ich lasse mich gern von Frauen ausnutzen.« Er lachte. »Sie wissen ja gar nicht, was für ein gutes Gefühl es ist, etwas zu tun. Im Postamt ist es heute bestimmt hoch hergegangen, nicht?«
Sie wusste, dass er das Thema gewechselt hatte, weil er nichts mehr von Erstattung hören wollte. »Ja.«
»Verdammt dumme Sache. Ich habe Ihr Jahrbuch durchgelesen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen.«
»Nein.«
»Leichen beunruhigen mich nicht. Daran habe ich mich in Korea gewöhnt. Aber vorsätzlicher Mord, das beunruhigt mich.«
»Mich auch. Ich kann mir keinen Reim darauf machen.«
»Nur Geduld.« Er hob das nächste Brett auf, sie packte das andere Ende.
»Wie heißt es doch gleich: ›Schenke mir Geduld, oh Herr, aber beeil dich.‹ Das hat Mom oft gesagt.« Sie trat zur Seite und wäre fast auf Tucker getreten, die wegsprang. »Verzeihung, Tucker.«
»Ein niedlicher Hund.«
»Danke schön.« Tucker drehte den Kopf schräg zu Tracy.
»Weil ich überall und nirgends unterwegs war, konnte ich mir keinen Hund halten. Li hatte einen. Na ja, irgendwie war er auch meiner, aber nachdem ich so viel von zu Hause weg war, gehörte er eigentlich ihr. Ein schöner Deutscher Schäferhund. Kluges Tier. Ich wusste, solange Bruno bei ihr war, war sie gut beschützt. Stellen Sie sich vor, zwei Wochen nach Lis Tod schloss auch Bruno für immer die Augen. Sicher, er war schon alt, aber ich glaube, es hat ihm das Herz gebrochen.« Tracys Augen wurden feucht.
»Ich könnte ohne Mom nicht leben.« Tucker legte den Kopf auf die Pfoten.
Die Katzen hörten zwar interessiert zu, keine mochte sich jedoch zu einer derart übertriebenen Anhänglichkeit bekennen. Die Wahrheit aber war, sollte Harry jemals etwas zustoßen, würde Mrs Murphy am Boden zerstört sein, und Pewter … nun, Pewter wäre untröstlich.
Harry bückte sich, um der winselnden Tucker den Kopf zu tätscheln. »Als ich klein war, hatten meine Eltern einen Deutschen Schäferhund namens King. Ein prachtvoller Hund. Er wurde einundzwanzig Jahre alt. Damals hatten wir Rinder, hornlose und gehörnte Herefords, und Dad hat mit Kings Hilfe das Vieh zusammengetrieben. Mom hatte immer einen Corgi – die sind als Hütehunde genauso tüchtig
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