Rache auf leisen Pfoten
erschossen.« Susan Tuckers Stimme hatte nichts von ihrem üblichen schwungvollen Timbre.
»Was?«
»Sie hat sich mit einem 38er in die Schläfe geschossen. Bitsy Valenzuela hat sie gefunden, als sie ihren Picknickkorb abholen wollte, den sie Marcy geliehen hatte.«
»Wann?«
»Vor ungefähr einer Stunde. Vielleicht auch früher. Bill Wiggins hat Ned angerufen und ihn um Rechtsbeistand gebeten, falls es kein Selbstmord ist. Bill war auch der Erste, den Rick verhört hat. Das ist alles, was ich weiß.«
»Die Arme.« Harry fasste sich an die Schläfe. »Sie hat sich gestern im Postamt ganz merkwürdig verhalten. Chris und Boom Boom haben sie nach Hause gebracht. Sie sagte, alle würden über sie reden und sie könnte es nicht mehr ertragen. Ich hätte mehr auf sie aufpassen sollen. Hat sie einen Abschiedsbrief hinterlassen?«
»Das weiß ich nicht. Ned ist gleich hin, nachdem er aufgelegt hatte. Ich glaube, dass es da einen Zusammenhang mit Charlie gibt.«
»Ja«, erwiderte Harry matt. »Gott, was für ein September.«
31
Der Autopsiebericht ergab, dass Marcy HIV-positiv war. Das wurde natürlich vertraulich behandelt. Leo Burkeys Autopsie erwies freilich, dass er bei bester Gesundheit gewesen war.
Aber das wirklich Schockierende war das Ergebnis der ballistischen Untersuchung: Die Waffe, mit der Marcy sich umgebracht hatte, war dieselbe, mit der Charlie und Leo erschossen worden waren.
Die Leute vermuteten, dass Marcy eine Affäre mit Charlie gehabt hatte. Er habe sie sattbekommen. Da sei sie ausgerastet. Andere sagten, Bill habe Charlie umgebracht, aber nichts wies darauf hin, dass Bill etwas mit Marcys Ableben zu tun hatte. Rick und Cooper waren da sehr gründlich vorgegangen. Marcy hatte nicht mit ihrem schlechten Gewissen leben können, weil sie ihren Mann betrogen hatte. Niemand konnte sich denken, warum sie Leo hätte umbringen sollen, doch eins stand fest: Es war ihre Waffe.
Sie hatte einen kurzen Abschiedsbrief mit der einfachen Botschaft »Ich halte es nicht mehr aus. Verzeih mir. Marcy« hinterlassen.
Der Rest des Septembers verging ohne weitere Morde. Die Leute atmeten auf.
Die Vorbereitungen für das Ehemaligentreffen liefen auf vollen Touren. Dennis Rablan war mit Chris Sharpton zusammen, was die Klatschmäuler nicht stillstehen ließ. Manche dachten, sie verschwende ihre Zeit. Andere meinten, er habe sich mit ihr eingelassen, um sie zu bewegen, das wenige, was ihm geblieben war, klug zu investieren. Einige fanden, sie seien ein hübsches Paar. Dennis war wieder glücklich. Market bat Chris ein Mal, mit ihm auszugehen, aber sie lehnte dankend ab und sagte, sie habe ja nun Dennis. Blair Bainbridge machte Little Mim unter den strengen Blicken der stumm missbilligenden Big Mim den Hof. Alle Welt bemerkte, wie gut sie zusammen tanzten, aber das äußerte man natürlich nicht in Big Mims Gegenwart. Die Mutmaßungen über Blair und Little Mim erhitzten die Gemüter noch mehr als der Klatsch über Dennis und Chris.
Harry ging jeden Mittwoch mit Fair, Tracy und Miranda ins Kino. Sie hatte es jedoch nicht eilig, ihrem Exmann wieder näherzukommen, doch sie kam Tracy näher – näher, als sie sich hätte vorstellen können. Es war eine Art Vater-Tochter-Beziehung. Er war so klug, sie nicht nach dem Stand ihrer Gefühle für Fair zu fragen, weil er sich dachte, dass sie früher oder später von selbst darauf zu sprechen kommen würde.
Sobald der Sturm des Klatsches sich legte, normalisierte sich die Lage in Crozet. Mim kommandierte alle herum – aber sie bekam mehr Unterstützung für ihr gärtnerisches Vorhaben. Boom Boom setzte sich geradezu besessen für das Ehemaligentreffen ein. Harry leistete hervorragende Öffentlichkeitsarbeit. Susan hatte die Lieferung von Speisen und Getränken organisiert. Einen Party-Service für Frühstück und Mittagessen, einen anderen fürs Abendessen, und das deshalb, weil zwei der Teilnehmenden Catering-Firmen betrieben.
Die Pferde nahmen dank der Luzernecobs zu. Harry musste die Futtermengen für sie reduzieren.
Pewter nahm in der Septemberhitzewelle tatsächlich ein paar Pfund ab. Alle bemerkten, wie gut sie aussah.
Tucker musste einmal in der Woche ein Flohbad über sich ergehen lassen.
Mrs Murphy gab sich nicht mit der Lösung zufrieden, dass Marcy Wiggins zwei Männer umgebracht hatte. Niemand achtete auf sie, weshalb sie schließlich den Mund hielt. Murphy hatte beharrlich behauptet, Marcy sei »nicht der Typ« gewesen. Leo Burkeys Ermordung war
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