'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
antun.“
In der nächsten Sekunde öffnete sich die Zimmertür und eine stattliche Schwester mit rotem Haarschopf trat ein. Sie rauschte auf das Bett zu und überprüfte mit geübten Blicken, ob die Gerätschaften noch einwandfrei ihre Aufgaben erfüllten. Nachdem sie sich anschließend noch von der richtigen Einstellung des Bettes überzeugt hatte, nickte sie zufrieden und stellte sich neben die Ermittlerin.
„Er wird doch wieder aufwachen, nicht wahr?“, fragte Nora sie mit schwacher Stimme.
„Ich weiß, was Sie jetzt von mir hören möchten, Frau Feldt. Aber ich darf Ihnen in dieser Hinsicht keine falschen Hoffnungen machen. Das könnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Lebenspartner tatsächlich wieder aufwacht, liegt weiterhin nur bei 50 Prozent. Diese Tatsache darf ich nicht ignorieren. Leider müssen Sie sich verdeutlichen, dass die Chance auf eine positive Wendung mit jeder Woche kleiner wird.“ Die Schwester gab diese Worte mit ihrer tiefen Reibeisenstimme so deutlich von sich, dass Nora erstarrte. Obwohl sie genau wusste, dass die Frau recht hatte, liefen ihr deren Äußerungen eiskalt den Rücken herunter.
„Sie können nichts weiter machen“, fuhr die Schwester fort, „als zu hoffen und zu beten. Der Rest liegt allein in Gottes Hand.“
Nora wischte sich eine erste Träne aus dem Augenwinkel. „Ich würde ihm so gerne noch mehr helfen. Ich fühle mich so schrecklich hilflos. Und ich hasse diese Machtlosigkeit so sehr.“
„Ich kann es Ihnen nachfühlen, denn ich war auch einmal in einer vergleichbaren Situation. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als das Geschehen aktiv beeinflussen zu können. Dann läge es schließlich an Ihnen, die ganze Geschichte zu einem positiven Ende zu bringen. Aber nun müssen Sie alles auf sich zukommen lassen, ohne zu wissen, wie es ausgehen wird. Das ist schlimm. Das ist ein sehr schlimmes Gefühl.“
Obgleich die Schwester diese Sätze sachlich von sich gab, half sie Nora auf eine gewisse Art. Denn auf diese Weise bekam die Kommissarin das Gefühl, mit einer Person zu sprechen, die genau wusste, was sie momentan durchmachte. Und dabei gab es definitiv nichts zu beschönigen. Die Schwester sprach Noras innerste Gefühle an, legte die Realität schonungslos dar. So paradox es auch wirken mochte, doch diese Direktheit wusste Nora sehr zu schätzen. Es führte dazu, dass sie jetzt noch mehr an das Positive glaubte. Sie war nun noch mehr davon überzeugt, die trostlose Situation mit aller Kraft zu überwinden.
Nichts kann uns beide trennen, Timo. Wir überstehen alles! Gemeinsam. Egal, wie schwer es wird!
Als die Schwester diese Überzeugung in Noras Augen aufblitzen sah, huschte ihr ein Lächeln über die Lippen. Sie wusste, dass sie mit ihren Worten das richtige Ziel erreicht hatte. Ihre langjährige Erfahrung hatte sie nicht getäuscht. Nora Feldt war eine Frau, die immer stärker wurde, immer mehr an sich und an Timo glaubte, desto schwieriger die Situation erschien. Sie wollte allen beweisen, wie viel Kraft in ihr steckte. Und nun sah die Schwester endlich wieder die vollkommene Überzeugung in Noras Blick, die sie in den ersten Wochen so sehr bei der Ermittlerin bewundert hatte. Endlich schien Nora wieder von einer neuen Kraftreserve zu zehren. Sie hatte die Hoffnung wiedergefunden. Sie würde Timo ab sofort noch mehr Kraft geben als zuvor. Und die beiden würden es schaffen.
Gemeinsam.
32
„Es gibt so viele Fernsehkanäle, aber auf keinem läuft etwas Gescheites!“, echauffierte sich Maria Trautmann, ehe sie nach einem Paket Taschentücher griff, das auf dem Nachttisch neben ihr lag. Sie zog ein Tuch heraus und schnäuzte sich die rote Nase. Ihre Stirn begann bei diesem Kraftakt zu glühen und ihre tränenden Augen schienen ein Stück weit aus den Höhlen zu treten. Die Haare der 49-Jährigen lagen wild auf dem Kopfkissen ihres Bettes verteilt.
Soeben schaltete sie den Fernseher mit der Fernbedienung aus und schnäuzte sich wieder die Nase.
Das Schlafzimmer, in dem die Göttinger Singlefrau nun schon seit acht Tagen eine hartnäckige Grippe auskurierte, umfasste zwanzig Quadratmeter. Das Bett stand mittig an der Südwand. Darüber hing ein überdimensionales Gemälde des Expressionismus. Als leidenschaftliche Kunstsammlerin hatte Maria dieses Gemälde vor zwei Jahren auf einer Auktion für viel Geld ersteigert. Doch in ihren Augen war es jeden Cent davon wert. Für ein gutes Gemälde würde sie
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