'Rache'-Box: Rachezug, Rachegier und Rachetrieb (German Edition)
inkompetenten Kommissare’ beschwert, die die derzeitigen Uni-Morde untersuchen.“
„Das ist ein schlechter Scherz, oder?“, brach es mit völliger Fassungslosigkeit aus Nora heraus.
„Ganz und gar nicht. Die Präsidentin der Universität ist der Ansicht, dass Sie den zweiten Mord hätten verhindern können, wenn Sie ‚ordnungsgemäß’ und ‚gewissenhaft’ gearbeitet hätten.“
„Das ist nicht wahr“, protestierte Nora. „Sie wissen genauso gut wie wir, dass es sich dabei um eine haltlose Unterstellung handelt. Diese Seibert hat überhaupt keine Einblicke in unsere Ermittlungsarbeit. Sie ist lediglich aufgebracht, weil sie den guten Ruf der Uni in Gefahr sieht.“
Kortmann hob beschwichtigend die Hände. „Ganz ruhig. Das ist mir bewusst. Ich kenne Corinna Seibert schließlich schon seit einiger Zeit. Ich weiß, dass sie eine Schreckschraube ist. Sie ist stets an ihrem eigenen Wohl und Vorteil interessiert. Daher würde ich mir im Grunde auch gar keine Gedanken über ihre Beschwerde machen. Aber leider ist sie eine gute Bekannte des Polizeipräsidenten. Und Sie wissen sicherlich, wie das in diesen Kreisen läuft.“
Die Ermittler sahen Kortmann reserviert an. Sie konnten noch nicht erkennen, worauf dieses Gespräch letztendlich hinauslief.
Zu ihrer Beruhigung sagte das Schwergewicht nach wenigen Augenblicken: „Noch ist es mir relativ schnuppe, was die Leute in den höheren Positionen denken oder sagen. Die haben schließlich keinen blassen Schimmer von der eigentlichen Arbeit, die wir hier leisten. Die kommandieren andere Leute ganz gerne herum, weil sie sich dadurch wichtig fühlen. Das ist mir bewusst. Deshalb gebe ich nicht allzu viel auf deren Gescharre. Vielmehr vertraue ich Ihnen. Immerhin haben Sie bei den letzten beiden Mordserien bewiesen, dass Sie das Zeug dazu haben, mit schwierigen Situationen umzugehen.“
Nora und Thomas lächelten Kortmann mit einer Mischung aus Stolz und Dankbarkeit an.
„Folglich gebe ich Ihnen jetzt noch freie Hand. Allerdings gibt es ein kleines Problem: Ich werde den zunehmenden Druck von oben nicht ewig abfedern können. Sollten Sie noch sehr viel länger brauchen, um diese Morde aufzuklären, dann wird die Luft für uns alle immer dünner. Nach meinen Informationen ist Corinna Seibert nämlich auch ganz gut mit dem Bürgermeister und einigen weiteren einflussreichen Persönlichkeiten der Stadt befreundet. Deshalb bitte ich Sie, einen Gang bei Ihren Ermittlungen zuzulegen.“
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen“, entgegnete Nora. „Sie können sich auf uns verlassen. Wir werden den Fall schon bald knacken.“
„Das hoffe ich. Für Sie und für mich. Ich mag meinen Job nämlich. Und ich will ihn behalten.“
Nora und Thomas grinsten. „Wir unseren auch.“
34
Denken die Bullen ernsthaft, dass sie mich jemals fassen könnten? Sind sie wirklich so arrogant? Das ist lächerlich. Ich bin ihnen meilenweit voraus. Sie werden mich nicht einmal in einer Million Jahren schnappen. Selbst wenn sie mich um die ganze Welt jagen würden, wäre ich ihnen immer einen entscheidenden Schritt voraus. Dabei waren sie schon so nah an mir dran. Näher geht es fast nicht. Wenn sie das wüssten!
Sie haben einfach nicht meine Klasse. Sie sind zu engstirnig, denken zu eindimensional. Wie wollen sie mich dingfest machen? Das geht gar nicht. Mein Plan ist perfekt.
Dabei kann mir niemand vorwerfen, dass ich nicht fair gewesen wäre. Ich habe zwar hier und dort eine falsche Spur ausgelegt, aber wenn die Bullen nachgedacht hätten, dann könnten die bisherigen Opfer jetzt noch leben. Das beweist wieder einmal: Polizisten sind dumm. Sie haben keine Fantasie, kein Gespür für Kreativität.
Ja, meine Morde sind im Endeffekt kreative Kunstwerke. Nicht mehr, nicht weniger. Zwischen der kreativen und der realen Welt gibt es jedoch Schranken, die es zu überwinden gilt. Die Kommissare müssten sich davon lösen, alle Ereignisse strikt nach Vorschrift und eingefahrenen Mustern zu betrachten. So funktioniert die kreative Welt nämlich nicht. Wenn man nicht bereit ist, sich auf etwas Anderes, Neues einzulassen, dann wird man keinen Erfolg haben. Auch wenn den Bullen nicht gefällt, dass sie sich von ihrer herkömmlichen Ermittlungsarbeit lösen müssen, ist das ihre einzige Chance, um in meine Gedankenwelt eintauchen und mich schnappen zu können.
Das Heraustreten aus der eigenen Erfahrungs- und Vorstellungswelt scheint zu den schwierigsten Aufgaben der Menschen zu gehören.
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