Rache der Königin
daß ich ihre Politik mache und nicht die des
Königs. Mit einem Wort, sie möchte regieren und alles bestimmen. Die einzige Möglichkeit, sie zu befriedigen, wäre, ihr wieder
das Ruder des Staates in die Hände zu geben. Natürlich hieße das Abdankung, und genauso natürlich könnte der König dem nicht
einmal im Traum zustimmen.
Die dritte Lösung wäre, daß ich mich von den Geschäften zurückziehe. Ich bevorzuge diese Lösung und schlage sie vor. Da ich
indessen sehr wohl weiß, daß man mich angreift, weil man den König nicht anzugreifen wagt, sehe ich voraus, daß man nach meinem
Weggang noch heimtückischere und noch häufigere Angriffe auf seine Autorität und seine Politik unternehmen wird. Wenn Ihr
mir eine ländliche Metapher gestatten wollt, stelle ich folgende Frage: Nähme man einer Schäferei die Hunde, würde dann nicht
die Herde angegriffen und schließlich der Schäfer?
Die vierte Möglichkeit ist, die Kabale gänzlich zu zerschlagen. Weil sie aber ihre Quelle, ihre Stärke und ihre Stütze allein
in der Königinmutter hat, sehe ich keinen anderen Weg, als die Königinmutter vom Hof zu entfernen. Jedoch ist dies eine so
delikate Maßnahme, daß ich mich enthalte, sie vorzuschlagen. Aber wenn der König und der Königliche Rat sich dazu durchringen,
werde ich nicht abstehen, mich dieser Entscheidung zu |251| beugen, obwohl ich in meinem Wunsch, mich zurückzuziehen, beharre.«
Richelieu verneigte sich gegen den Rat, verbeugte sich tief vor dem König und trat drei Schritte zurück, als wollte er bescheiden
im Bühnengrund verschwinden.
Dies war das viertemal, daß Richelieu seine Demission anbot, da sie aber jedesmal vom König kategorisch abgelehnt worden war,
schlossen auch die Räte sie umgehend aus. Und mit unendlicher Vorsicht, als gingen sie auf Eiern, stimmten sie für eine Entfernung
der Königinmutter, indem sie zugleich unaufhörlich ihre tiefe Bindung an ihre königliche Person beteuerten und zu bemerken
gaben, daß es, da es sich um die Mutter des Herrschers handelte, dem König und einzig und allein dem König gebühre, hierüber
zu entscheiden.
Dann nahm der König das Wort, stellte fest, daß die Räte die vom Kardinal vorgeschlagene Maßnahme hinsichtlich der Königinmutter
einstimmig gebilligt hatten. »Was mich angeht«, setzte Ludwig nüchtern hinzu, »so halte ich sie für gut und gedenke sie ungesäumt
in die Tat umzusetzen.«
***
Das »ungesäumt« war im Mund des Königs kein leeres Wort. Auf der Stelle befahl er acht Kompanien französischer Garden, fünfzig
Chevaulegers und fünfzig Gensdarmes nach Compiègne, und am dreiundzwanzigsten Februar 1631 in der Morgenfrühe forderte er
den Hof, die Minister, die Gesandten auf, sich unverzüglich zum Aufbruch bereitzumachen. Und all diese Menschen verließen
mit großem Lärmen und Holterdipolter den Ort, ohne daß man, auf königlichen Befehl, die Maria von Medici hiervon unterrichtete.
Dies geschah trotzdem im letzten Moment, und zwar durch die Königin, die sich damit wieder einmal ungehorsam gegen die Anweisung
des Königs zeigte. Doch zu spät. Die Königinmutter war eine große Langschläferin. Es dauerte seine Zeit, sie zu wecken. Trotz
allem Tohuwabohu des Aufbruchs hatte sie, mit umnebeltem Kopf, kaum erst die Augen geöffnet, als Marschall d’Estrées und La
Ville-aux-Clercs sie zu sprechen verlangten. Ohne die geringste Sorge um das Dekorum, noch zu Bett, ungekämmt, ungeschminkt,
empfing sie die Herren. |252| Der Leser wird sich erinnern, daß sie so unbekümmert, aufgeknöpft wegen der Hitze und lang auf den Teppich im Louvre hingestreckt,
auch ihren Gardehauptmann empfing, um ihre Befehle zu erteilen. Doch möge der Leser dies nicht falsch verstehen. Die Königinmutter
hatte niemals Liebhaber. Ihr unbekümmertes Gebaren war Geringschätzung und Hochmut, nichts weiter.
»Mein Freund«, fragte Catherine, als ich ihr diese Dinge erzählte, »warum mußten es zwei sein, die der Königinmutter verkündigten,
daß sie in Compiègne, fern von Paris und vom Hof, bleiben müsse?«
»Ich nehme an, weil La Ville-aux-Clercs die Regierung des Königs repräsentierte und Marschall d’Estrées die Garnison der tausendsechshundert
Mann, die die Königinmutter bewachen sollten.«
»Mein Gott, warum so viele Soldaten?« fragte Catherine.
»Weil zu befürchten stand, daß Gaston, der die Waffen gegen seinen Bruder erhoben hatte, versuchen würde, die
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