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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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der Kardinal nun einmal, so nüchtern und zurückhaltend er sonst
     wirkt. Bedenkt aber auch, daß es vor einer Theateraufführung eine Probe gibt, und es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß der
     König dem Exposé seines Ministers nichts hinzugefügt oder nichts darin gestrichen hätte.«
    ***
    Abgesehen von dem genauen Tag im Februar 1631, an dem die hochwichtige Sitzung des Königlichen Rats in Compiègne abgehalten
     wurde, erinnere ich mich an alles, und vor allem, daß es kalt war zum Steinespalten, so daß die Ratsmitglieder trotz eines
     großen Feuers im riesigen Kamin des großen Saals fast mit den Zähnen klapperten. Und es mag sein, daß ihnen sogar fast die
     Zunge gefror, denn sie hielten den Mund, als der König sie um ihre Meinung fragte, nachdem er die Debatte über das Los der
     Königinmutter eröffnet hatte. Als der König sah, daß sie sich scheuten, über das Schicksal eine königliche Person zu befinden,
     die ihrem Rang nach die zweite Person im Staate war, erteilte er, ohne lange zu fackeln, Richelieu das Wort, der nun, als
     er zu diesem letzten Kampf antrat, alles andere war als ein wackerer Recke mit geschlossenem Visier und gesenkter Lanze. Ganz
     im Gegenteil. Er stand zur Rechten des Königs |249| und ein wenig hinter ihm, um ihm die Vorderbühne zu überlassen, aber sehr aufrecht in seiner makellosen Soutane und das Kinn
     erhoben. So machte er den Eindruck von Energie, der selbst durch seine vor Müdigkeit hohlen Augen, seine mageren Wangen und
     sein schon ergrauendes Haar nicht bestritten wurde. Er sprach wie gewohnt ohne Notizen, mit angenehmer, wohlartikulierter
     Stimme, doch ohne jede Spur klerikaler Salbung. So heftig die Angriffe auch sein mochten, blieb er auf diesen Sitzungen stets
     ruhig, gleichmütig und heiter, er vertraute auf die Richtigkeit seiner Sichten und auf sein Vermögen, sie zur Geltung zu bringen.
    Die Tatsache, daß der König ihm als letztem das Wort erteilte, gab ihm übrigens einen unerhörten Vorteil, wußte doch jeder,
     daß der König und sein Minister in allen Reichsdingen
mano nella mano
1 marschierten, wie die Königin gesagt hätte. Bekanntlich erblickte sie darin die Wirkung diabolischer Zaubermittel. Doch die weniger abergläubischen königlichen Räte urteilten
     anders darüber: Richelieus politisches Talent machte sie einfach staunen.
    »Meine Herren«, sagte der Kardinal, »da Seine Majestät mir befiehlt, meine Meinung zu sagen, kann ich Ihr nur gehorchen, so
     schwierig, ja so heikel die Entscheidung auch ist, die wir zu treffen haben. Um diese Entscheidung recht zu verstehen, muß
     man sie zunächst in den historischen Kontext stellen, in dem wir uns befinden und der weit entfernt ist, uns günstig zu sein.
     Frankreich ist nun einmal von Staaten umringt, die seinen Untergang wollen. Im Norden die spanischen Niederlande. Im Osten
     Lothringen. Im Westen und Südwesten die Kaiserlichen, in Italien das spanische Mailand. Im Süden schließlich die Iberische
     Halbinsel. Weil es ihnen nie gelang, die unbesieglichen Armeen des Königs im Felde zu schlagen, versuchen diese Feinde Frankreich
     zu schwächen, indem sie Wirren und Aufruhr stiften durch Personen, die mehr wie Spanier fühlen denn wie Franzosen.
    Meine Herren«, fuhr er nach einer Pause fort, »es würde uns nichts nützen, die Augen davor zu verschließen, daß königliche
     Personen an diesen Wirren beteiligt sind. Und wenn wir ihnen ein Ende setzen wollen, dürfen wir nicht vergessen, welchen |250| Respekt und welche Ehrerbietung wir diesen Personen entgegenbringen. Was mich angeht, sehe ich vier Lösungen, um die unerträglichen
     Umtriebe zu beenden, die jetzt die Fundamente des Staates bedrohen.
    Die erste wäre, sich mit Monsieur zu einigen. Seine Majestät hat es Gott weiß wie oft versucht und ihm gegeben, was er wollte.
     Doch kaum hatte Monsieur diese Gaben erhalten, verlangte er mehr. Daher die neue, höchst kostspielige Einigung, die aufs neue
     gebrochen wurde: ein Bruch, dem sofort neue Forderungen folgten. Meine Herren, Ihr werdet einräumen, daß eine Fortsetzung
     dieses Weges hieße, den Schatz der Bastille zu ruinieren.
    Die zweite Lösung wäre, sich mit der Königinmutter zu einigen. Da ich ihr früher mit Eifer diente und ihr überaus dankbar
     bin für die Wohltaten, mit denen sie mich überhäufte, wünschte ich diese Lösung von ganzem Herzen. Nur leider ist sie völlig
     unmöglich. Die Königinmutter möchte, daß ich ihr gehöre und nicht dem König,

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