Rache der Königin
Königinmutter
zu befreien: Der präsumtive Thronfolger Frankreichs befreit seine Mutter aus den Klauen des bösen Sohnes und greift ihn dann
mit der Hilfe und dem Segen der Spanier und der Kaiserlichen an.«
»Wäre das denn möglich gewesen?«
»Möglich war es, aber sicherlich nicht mit Gaston … Was immer Gaston anfing, er brachte es nie zum Ende. Denkt an La Rochelle.
Er wollte Generalissimus der Belagerung sein, und nach wenigen Wochen ließ er sein Kommando sausen, um sich wieder den Pariser
Lustbarkeiten zu ergeben.«
Wenn auch etwas überrascht, die Königinmutter in einem solchen Zustand anzutreffen, beugte La Ville-aux-Clercs brav das Knie
und übergab ihr den Brief des Königs. Sie öffnete ihn, las, faltete ihn und sagte, ohne Erregung zu zeigen: »Der König will
mich in Moulins einsperren.« – »Madame«, sagte Marschall d’Estrées, »Moulins gehört Euch. Es ist Euer Haus. Ihr seid dort
immer gern gewesen. Und Ihr werdet dort alle Freiheit und Autorität genießen.«
»Und was antwortete sie auf diese beschwichtigenden Worte?« fragte Catherine. »Hat sie geschrien?«
»Nein, sie schrie nicht, sie weinte.«
»Mein Gott!« sagte Catherine, »endlich eine weibliche Reaktion! |253| Ihr werdet sehen, am Ende tut sie mir doch noch leid. Und was machen die beiden Abgesandten? Die Königinmutter weinen zu sehen
ist selbst für einen Marschall peinlich.«
»Nun, sie warten, daß sie entlassen werden. Und plötzlich, noch mit dicken Tränen auf den Wangen, schreit sie: ›Ich habe nichts
getan, was eine solche Behandlung verdiente!‹«
»Und geht sie denn nun nach Moulins, wie der König es ihr befiehlt?« wollte Catherine wissen.
»Ph! Dem König gehorchen! Wo denkt Ihr hin! Sie schützt alle möglichen Gründe vor, um die Reise aufzuschieben: In Moulins
sei die Pest – was nicht stimmt. Das Schloß sei verfallen – was falsch ist. Sie gehe nur nach Moulins, wenn man ihr Doktor
Vautier wiedergebe – was ausgeschlossen ist, der König hat ihn in die Bastille gesteckt. Und endlich eine letzte Ausrede:
Man wolle sie nur nach Moulins bringen, um sie an die Rhône zu schaffen, damit man sie auf einer Galeere einschiffen könne
nach Marseille und von dort zurück nach Florenz, wo sie ohne Ehren, ohne Besitz, ohne Rückhalt bei entfernten Verwandten leben
solle, die sie nie gesehen habe.«
»Und was ist sie als Gefangene in Compiègne?«
»Was wohl, wenn man so wenige Möglichkeiten hat? Wenn es schön ist, geht sie auf der Schloßterrasse mit Marschall d’Estrées
spazieren, der die Höflichkeit in Person ist. Und entweder jammert sie, ergeht sich in endlosen Klagen, die d’Estrées mit
teilnahmsvoller Miene anhört, oder sie liest mit lauter Stimme aufrührerische Pamphlete gegen den König und Richelieu vor,
die d’Estrées nicht zu hören vorgibt. Übrigens steht es ihr frei, sich in der Stadt Compiègne frei zu bewegen, aber aus Hochmut
lehnt sie es ab. Ihr fehlt ihr Luxembourg, und es fehlen ihr vor allem ihre Hofschranzen und Speichellecker. Ihre Tage verrinnen
in trübem Grau, das von Zeit zu Zeit ein Hoffnungsschimmer erhellt. Eines Tages verkündet ihr Madame de Fargis in einem Brief,
daß laut Horoskop ihr königlicher Sohn vor Jahresende sterben werde … Das würde alles ändern! Und was für schöne Träume: im
Triumph nach Paris heimzukehren und grenzenlose Autorität über Gaston zu haben, den neuen König.«
»Mein Freund! Malt Ihr sie nicht in zu schwarzen Farben?«
»Mir scheint, die Farben können gar nicht schwarz genug sein. Die Königinmutter hat ihre Töchter nie geliebt und ihren |254| ältesten Sohn schon gar nicht. Und was Gaston angeht, macht sie sich wahrscheinlich Illusionen darüber, was er täte, wenn
er an die Macht käme. Er ist viel zu eitel, glaube ich, um sie ihr zu überlassen, und seine Räte werden ihn bestimmt nicht
dazu drängen. Aber lassen wir diese schäbigen Träume vom Tod. Allen Horoskopen zum Trotz geht es Ludwig bestens.«
***
Die Mutter ist in Compiègne eingesperrt, trotzdem ist Ludwig mit seiner schrecklichen Familie nicht fertig. Denn unter dem
tugendsamen Vorwand, seine Mutter zu befreien, hat Gaston von der Goldmillion, die sie ihm gab, Truppen ausgehoben und sich
in Orléans festgesetzt, das er zu befestigen beginnt. Und was das schlimmste ist, er hat Edelleute aus großem Haus zu sich
gerufen, und vier sind seinem Ruf bereits gefolgt: der Herzog von Elbeuf, der Herzog von
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