Rache der Königin
alles, was der König und sein Minister
wollen, daß man es wisse. Ah, Leser! Sie merken wohl, daß der Staat jetzt wirklich »monarchisch« wird, indem er mit einem
Schlag die wachsende Macht vereinnahmt, die sich ihm entgegenstellen konnte: die Presse.
»Leider«, sagte Fogacer, »gibt es noch eine andere große Macht: die Großen. In der Vergangenheit erwies sich ihre Stärke höchst
erfolgreich gegen Heinrich III.«
»Die Dinge haben sich geändert. Heinrich III., so geistvoll er war, hatte zuviel Gelder an seine Entourage und seine Favoriten
verschleudert, um eine starke Armee aufzubauen. Glaubt Ihr, daß eine bewaffnete Liga großer Herren heutzutage auch nur den
Schatten einer Chance hätte gegen den Soldatenkönig, gegen seine exzellenten Marschälle, seine starken Armeen und gegen Richelieus
bewundernswerte Verwaltung?«
»Sicherlich nicht«, sagte Fogacer. »Allerdings sind einige dieser Großen auch große Tollköpfe, und ich fürchte, daß sie in
ihrem bißchen Grips die Sache immer noch für möglich halten.«
Hierin täuschte er sich nicht. Und tatsächlich glaubte Gaston die Herren zu starkem Widerstand organisieren zu können. Nach
der raschen Niederlage Lothringens in die spanischen Niederlande geflüchtet – eine Erfahrung, die ihn nichts lehrte – , faßte
er den Plan zu einer Rebellion der Großen Frankreichs gegen seinen Bruder. Denn er wußte, wie sehr diese Großen Richelieu |283| und den König haßten: Schon seit sechs Jahren war der Kardinal mit Zustimmung des Königs dabei, die Türme ihrer Schlösser
bloßzulegen, ihre Gräben zuzuschütten, ihre Zugbrücken zu zerstören, ihre Mauern zu schleifen, zu dem Zweck, daß aufsässige
Feudalherren auch nicht eine Stunde mehr einer königlichen Armee widerstehen konnten.
Einige unter ihnen erlitten noch schwerere Verluste. Wie man sah, verlor der große Montmorency, Nachkomme zweier Konnetabeln,
deren jeder der bewaffnete Arm seines Königs gewesen war, durch Richelieu seinen Titel eines Admirals von Frankreich nebst
den dazugehörigen Funktionen. Schlimmer noch, man entzog ihm das Prisenrecht, das ihm pro Jahr ein Vermögen eingebracht hatte,
das Richelieu lieber in die Staatskasse lenkte. Dabei wollte Richelieu selbst, als er Großmeister der Marine wurde, die enormen
Bezüge, die ihm dafür zustanden, nicht annehmen. Er fügte diese Aufgabe also
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seinem gewaltigen Tagewerk hinzu und baute dem Staat eine Kriegsmarine auf, die eines großen Königreiches würdig war. Eine
solche Denkweise war Montmorency wie den anderen Großen fremd: In den Augen eines hohen Feudalherrn ging das persönliche Interesse
immer über das Reichsinteresse.
Sie können sich vorstellen, Leser, wie Montmorency hiernach den Kardinal liebte. Außerdem war seine Gemahlin, übrigens eine
charmante kleine Person, die für Dichtkunst und Dichter schwärmte, eine Verwandte der Medici. Demzufolge, auch wenn es eine
dumme Folge war, haßte sie Richelieu und trieb ihren Mann, den sie liebte, aus allen Kräften auf einen Weg, der ihm zum Verhängnis
werden sollte.
Durch die Geographie ebenso wie durch Gefühle und Ressentiments stand der Herzog von Guise, Gouverneur der Provence, dem Herzog
von Montmorency sehr nahe, der zugleich Gouverneur des Languedoc war. Und das wußte Gaston, also nahm er über den Abbé d’Elbène
Rücksprache mit dem einen und dem anderen auf, vertraute ihnen an, daß er von neuem mit einer Armee in Frankreich einfallen
werde, und bat sie, gleichzeitig ihre jeweiligen Provinzen gegen die königliche Macht zum Aufstand zu führen.
Gaston hatte Witz und ein Dutzend Ideen am Tag, aber weil er nicht gründlich dachte, taugten sie alle nichts. War aber nun
schon der Plan schlecht, war die Ausführung noch viel schlechter. |284| Schwankend und wechselhaft, wie er war, hatte Gaston eine Sache kaum angefangen, als er sie auch schon satt wurde und sich
eilends wieder in sein lothringisches Nest verkroch.
Auf das Beispiel La Rochelle muß ich nicht zurückkommen. Und was die Soldaten anlangte, die er rekrutiert hatte, um seinem
Bruder in Orléans die Stirn zu bieten, so erwiesen sie sich als so kläglich, daß sogar ein ganzes Regiment von ihnen einer
königlichen Korporalschaft nicht standhalten konnte. Von den dreien, Gaston, Guise und Montmorency, hatte nur letzterer militärische
Erfahrung. Er hatte in Italien gedient und dem Herzog von Savoyen Veillane genommen. So scharte er
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