Rache der Königin
den Minister hielt, der ihm inmitten so vieler Prüfungen
so trefflich gedient hatte: Er erhob das Erbland des Kardinals von Richelieu zum Herzogtum und zur Pairie.
Der Kardinal-Herzog schwor am fünften Dezember 1631 den Treueid vor den Pairs, zu denen ja auch ich gehörte. Es versteht sich,
daß die Erhebung des Kardinals in diesen hohen Adelsrang bei nicht wenigen Anwesenden grimmiges Zähneknirschen auslöste. Für
den Augenblick hatte der König die Kabale besiegt, doch der Haß gegen Richelieu flammte immer aufs neue auf. Weder die Königinmutter
noch Gaston enthielten sich weiterer Versuche, den Minister zu stürzen. Mit unseren Feinden im Ausland verbündet, die Königinmutter
mit den niederländischen Spaniern, Gaston mit dem Herzog von Lothringen, wirkten sie für einen Bürgerkrieg in ihrem eigenen
Land, gegen ihr eigenes Blut.
Doch war Ludwig dank Richelieu und seinen Spionen bestens über ihre Unternehmungen unterrichtet. So erfuhr er, daß die Königinmutter
sich bemühte, die Festungen längs unserer Nordgrenze für ihre Sache zu gewinnen, so wie sie es schon mit La Capelle versucht
hatte. Darum verlegte er eine Armee in die Champagne, und als er hörte, daß der Gouverneur von Calais bereit war, seine Stadt
der Königinmutter auszuliefern, jagte er an der Spitze einer anderen Armee mit verhängten Zügeln dorthin, entließ den Gouverneur
und ersetzte ihn durch Monsieur de Chaumont. Hierauf stieß er, wie mir berichtet wurde, einen großen Seufzer der Erleichterung
aus, denn der Hafen von Calais in Händen der Königinmutter hätte bedeutet, daß die niederländischen Spanier in Frankreich
hätten eindringen können, wann immer sie wollten.
|277| Dann wandte sich Ludwig gegen seinen erklärten Feind, den Herzog von Lothringen, Gastons Freund und Bundesgenosse in allem,
was Gaston bisher gegen seinen Bruder unternommen hatte.
Wie der Herzog von Savoyen in Italien, so gehörte der Herzog von Lothringen zu jener Gattung von Möchtegern-Königen, die immer
versuchen, sich auf Kosten ihrer Nachbarn ein Königreich zusammenzukratzen. So wollte Karl IV. von Lothringen zu gern die
Stadt Bar und das Land Barrois annektieren, das einer zweifelhaften Erblinie nach seiner Gemahlin Nicole zustand. Das Barrois
war aber leider ein Lehen der französischen Krone, und besagte Krone gab ihre Lehen nicht so leicht ihren Nachbarn ab.
Hinter diesem Beschwerdegrund Karls IV. verbarg sich noch ein anderer. Er fand es skandalös, daß die Franzosen noch immer
die drei Bistümer Metz, Toul und Verdun beanspruchten. Diese Okkupation ging auf Heinrich II. zurück, ohne daß er diese Städte
nachweislich erobert hatte. Die Wirklichkeit sah anders aus. Die lutherischen deutschen Fürsten hatten ihn damals gerufen,
sie zu besetzen, um zu verhindern, daß der Herzog von Lothringen sie sich aneigne, was ihn sehr gestärkt hätte, denn die drei
Städte waren reich, hielten große Messen ab und prosperierten durch fruchtbaren Handel mit dem Osten. Und Heinrich II. besetzte
die drei Bistümer, weil dies unsere Ostgrenze gegenüber Lothringen und dem Kaiser festigte.
Henri Quatre, klug wie stets, verstärkte die Handhabe auf die drei Bistümer, und Ludwig XIII. übertrug Richelieu die Befestigung
Verduns, um seine Ostgrenze noch unangreifbarer zu machen. Was den Haß des Herzogs von Lothringen auf Frankreich nur steigerte.
Weil er es aber nicht offen angreifen konnte, bereitete er ihm, wie man sah, einen versteckten und hinterhältigen kleinen
Krieg, indem er Gastons Extratouren gegen seinen Bruder unterstützte.
Nachdem die Kabale niedergeworfen war, mußte darum auch Lothringen zur Räson gebracht werden, und ohne einen Schuß Pulver
marschierte der König dort ein.
Ich nahm an diesem Feldzug teil, weil der Herzog zwar Französisch sprach wie Sie und ich, in Ludwigs Gegenwart aber vorgab,
nur Deutsch zu können. Die kindische Komödie dauerte nicht. Der Herzog sah ein, daß meine Übersetzungen |278| vom Deutschen ins Französische und vom Französischen ins Deutsche die Verhandlung viel zu sehr in die Länge zogen, wo er uns
doch lieber heute als morgen aus seinem Land abziehen sah.
Allerdings blieben wir länger als gewollt. Und zwar aus folgendem Grund. Bevor Ludwig Paris verließ, hatte er auf Richelieus
Anregung ein außerordentliches Gericht geschaffen, das für Staatsverbrechen zuständig war. Gegen dieses Chambre de l’Arsenal
genannte Gericht liefen unsere
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