Rache der Königin
und jedes Bistums, und das ist eine sehr schöne Belohnung für eine
treue Familie, der Seine Majestät ihre Dankbarkeit bezeigen will, denn sie ist mit beträchtlichen Einnahmen verbunden. Mehr
noch, wenn der König es will, wird die Bischofswürde in einer Familie erblich. Sie ist im Prinzip dem zweitgeborenen Sohn
vorbehalten, der von Geburt an benachteiligt ist, weil Titel und Grundbesitz dem ältesten zufallen. Das Bistum ist für den
jüngeren Sohn einer Familie nicht nur ein ehrenwerter und geachteter Titel, es bringt ihm auch, wie gesagt, gute, manchmal
sogar sehr gute Einnahmen.«
»Anders ausgedrückt, man braucht keine Berufung, um Bischof zu werden, nicht einmal unbedingt eine Ausbildung dazu. Aber ist
das nicht ein verwerfliche Einrichtung, Monsieur?«
»Schöne Leserin, ich würde sie sogar gottlos nennen. Ein Bistum ist heutzutage weit eher eine Einnahmequelle denn ein Priesteramt.
Der Bischof kümmert sich wenig um seine Kirchen, seine Pfarrer und seine Gemeinden. Daher der traurige Zustand der Dorfkirchen,
das Elend der Landpfarrer, der Abfall der Gläubigen. Der Bischof ist ein großer Herr. Und so lebt er auch, Bankett folgt auf
Bankett und Liebschaft auf Liebschaft. Mein Halbbruder, der selige Kardinal von Guise, hatte keine Scheu, sich in seinem Bischofspalast
eine Konkubine zu halten und ihr Kinder zu machen. Aber um Vergebung, schöne Leserin, wenn ich unser Gespräch abkürze: ich
sehe Monsieur de Saint-Clair mit eiligen Schritten und aufgeregter Miene kommen.«
***
|287| »Monseigneur«, sagte Saint-Clair, »der Herzog von Guise steht vorm Tor und verlangt Einlaß. Er wünscht Euch zu sprechen.«
Verdattert erhob ich mich.
»Guise! Woher weißt du, ob es wirklich der Herzog von Guise ist?«
»Vom Wappen an seiner Karosse.«
»Ist er in Begleitung?«
»Wenig für einen Herzog, etwa zehn Reiter alles in allem.«
»Und welchen Eindruck machen sie?«
»Hübsche Herrchen, blond und rosig. Für Eure Schweizer wären sie, wenn es drauf ankäme, nur ein Happs.«
»Du vergißt, daß ich die Hälfte meiner Männer in Paris gelassen habe, um mein Haus und meine Familie zu schützen.«
»Auch die Hälfte wäre ausreichend, die Gecken in die Flucht zu schlagen, wenn sie Streit mit uns suchten. Aber so sehen sie
nicht aus.«
»Trotzdem, gib Hörner Bescheid, unsere Schweizer sollen sich waffnen und vor der Freitreppe ein Ehrenspalier bilden, das sich
notfalls in einen Kampftrupp verwandeln kann.«
Hierauf gürtete ich meinen Degen, stülpte meinen schönsten Federhut auf und erwartete den Gast, ziemlich verwundert über diesen
unerwarteten Besuch, auf der Freitreppe. Ich habe das Gedächtnis des Lesers über meine Geburt so oft aufgefrischt, daß er
schon sehr vergeßlich sein müßte, um nicht mehr zu wissen, daß ich die Frucht einer heimlichen Liebe war, und zwar der verwitweten
Herzogin von Guise und meines Vaters, des Marquis de Siorac. Der gegenwärtige Herzog von Guise war also mein Halbbruder, so
wie die Prinzessin Conti meine Halbschwester war. Während meine Beziehungen zu der Prinzessin durch all die Komplimente, die
ich ihrer Schönheit machte, nicht ganz unfreundlich waren, blieben die Beziehungen zu meinen Brüdern Guise kalt und distanziert.
Außerdem waren sie mit Leib und Seele der Kabale verhaftet und sahen in mir eine Marionette des Kardinals, der in ihren Augen
der leibhaftige Satan war.
Ich hatte die Freitreppe kaum erreicht, als die Karosse des Herzogs von Guise, von seinen Herren gefolgt, in Sicht kam. Der
Diener öffnete den Schlag, klappte den Tritt auf, und der Herzog setzte den Fuß auf den Boden. Nun begann zwischen |288| ihm und mir eine stumme und für mein Gefühl etwas komische Szene. Sowie der Herzog seiner Karosse entstieg, zog ich meinen
Hut und grüßte ihn mit weitem Hutschwenk. Er zog seinerseits den Hut und grüßte mich mit etwas weniger weitem Schwenk. Womit
er bekundete, daß der Herzog von Guise, Gouverneur der Provence, über dem Herzog von Orbieu rangierte, weil er von seiner
Familie, indem er sich die Mühe machte, als erstes männliches Kind geboren zu werden, den Titel Herzog und Pair geerbt hatte,
während es mich große Anstrengungen und mancherlei Missionen und Gefahren gekostet hatte, bis der König mir diesen Titel verlieh.
Daß er auf dem kleinen Unterschied bestand, fand ich dumm und geckenhaft. Daher rührte ich mich keinen Deut vom Fleck, anstatt
dem Herzog von Guise auf den Stufen
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