Rache der Königin
fragen?«
»Frage!«
»Warum seid Ihr so froh, daß Herr von Guise den Weg nach Süden nimmt?«
»Weil das heißt, daß er in seine Provence heimkehrt, anstatt nach Paris zu gehen.«
»Und warum ist es wichtig, daß er in die Provence heimkehrt?«
»Weil er sie verlassen wird.«
»Um Vergebung, Monseigneur, das verstehe ich nicht. Es ist gut, daß er in die Provence heimkehrt, weil er sie verlassen wird?«
»Aber, ja! Kaum angelangt, wird er all seine Taler zusammenkratzen, seine Kisten und Kasten packen und, nicht ohne einen wehmütigen
Blick auf seinen Gouverneurspalast, sein Schloß, |293| wo er so glänzende Feste gab, ins Ausland gehen, wahrscheinlich nach Italien.«
»Warum gerade Italien, Monseigneur?«
»Weil es am nächsten liegt und ihn an seine Provence erinnern wird. Und wenn er fort ist, sind nur noch Gaston und Montmorency
im Komplott, und die Provence bleibt dem König treu.«
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|294| SECHZEHNTES KAPITEL
Schöne Leserin, ich bitte im voraus, mir zu vergeben, denn Ihre Augen werden abermals weinen. Und ich bekenne, daß auch mir
das unglückliche Los großen Kummer macht, das den Herzog von Montmorency ereilte.
Die Götter hatten ihm alles geschenkt: eine hohe Abkunft, illustre Ahnen, ein Marschallamt von Frankreich, das Gouvernement
einer Provinz, in der man gerne lebt, eine Erscheinung, die ihn am Hof zum Musterbild männlicher Schönheit machte, eine anbetungswürdige
Gattin, die nur ihn anbetete, eine warmherzige und großmütige Liebenswürdigkeit, die ihm viele Freunde schaffte, eine so fabelhafte
Gesundheit, daß sein Arzt ihm ein langes Leben verhieß, und nicht zuletzt war er dank seiner Besitztümer so vermögend, daß
es für zwei oder drei Leben in Prunk und Verschwendung gereicht hätte. Und die Frage, schöne Leserin, die ich mir stelle,
ist: Wie konnte Montmorency alles, was er war und was er hatte, aufs Spiel setzen für ein so törichtes, ich möchte fast sagen
kindisches Wagestück wie jenes, das ich nun erzählen will, da man mit einem lateinischen Dichter doch von ihm hätte sagen
können: »Er wäre zu glücklich gewesen, hätte er sein Glück gekannt.«
Es stimmt allerdings, daß er, wie man sah, ernsthaften persönlichen Groll gegen Richelieu hegte. Daß er seinen Titel Admiral
von Frankreich und sein Prisenrecht verlor, hatte ihn um bedeutende Amtsbefugnisse und große Einkünfte gebracht.
Doch lebte er auch in einer Umgebung, in der jeder aus unterschiedlichen Gründen Richelieu haßte. Seine Gemahlin, Marie-Félicie
des Ursins, mit den Medici verwandt, wünschte dem »Verfolger« der Königinmutter den Tod an den Hals. Der Bischof d’Elbène,
den Montmorency bewunderte, dachte, wenn Richelieu gestürzt würde, könnte man endlich das Tridentiner Konzil umsetzen und
die Protestanten mit Feuer und Schwert ausrotten. Und der Herzog von Guise, Gouverneur der nahen Provence, träumte ebenfalls
von einer großen Zukunft. Die |295| Umstände schienen ja günstig. Die Gesundheit des Königs war heikel, Horoskope prophezeiten seinen Tod vor Jahresende, und
selbstverständlich würden all jene, die sich vor diesem Tod in Gastons Lager sammelten, dann ihre Belohnung erhalten.
In den Sendschreiben, die Gaston über den Bischof von Elbène an Montmorency gehen ließ, karessierte er ihn sehr. Montmorency
war von den drei Verschwörern der einzige, der das Kriegshandwerk verstand. Während der Belagerung von La Rochelle hatte er
auf Ludwigs Befehl gegen Soubise gekämpft, der hinter den königlichen Linien »Schaden« anrichtete, und hatte ihn gezwungen,
sich nach England einzuschiffen. Später hatte er sich im Italienfeldzug ausgezeichnet, als er dem Herzog von Savoyen Veillane
und Saluzzo nahm.
Nichts beweist, daß Gaston für den Tag, da er König würde, Montmorency das Konnetabelnamt versprochen hat, eine höchste Würde,
die zwei seiner Ahnen innehatten. Aber indem er ihm schrieb, daß die Armee, mit der er ins Reich einzumarschieren gedenke,
vom Herzog von Lothringen und von den Spaniern rekrutiert worden sei, scheint er ihn willentlich hinters Licht geführt zu
haben. Denn letztlich war wenig los mit diesem Heer: eine kleine Söldnerarmee aus miserablen Soldaten. Möglich ist aber, daß
auch Gaston, der nur in seinen Träumen lebte und vom Kriegführen nichts verstand, sich als erster über deren Wert täuschte.
Sowie Gaston voll illusorischer Hoffnungen in Frankreich eindrang, wurde er abgefangen und verfolgt,
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