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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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auf ihre Kosten zu vergrößern: die Schweiz, Frankreich und das Monferrato, weshalb er am französischen
     Hof nicht eben als Heiliger galt. »In den fünfzig Jahren, die er regiert«, sagte Richelieu verächtlich über ihn, »hatte er
     ständig zu tun, sich durch List und Tücke aus den üblen Lagen zu retten, in die ihn sein ungerechter Ehrgeiz gebracht hatte.«
    Was ich fand, war ein gichtlahmer alter Mann auf einem spärlich vergoldeten Lehnstuhl, der sich Karl Emmanuel der Große nennen
     ließ, ohne daß das Großwerden ihm recht hatte glücken wollen. Sein langes Gesicht wirkte noch länger durch eine sehr hohe
     samtene Mütze, auf der eine abermals verlängernde weiße Feder steckte, was alles mich wie das Symbol einer kindischen Selbstüberhöhung
     anmutete.
    Da er wie schon der Gesandte, den er uns geschickt hatte, offenbar selbst der Devise folgte,
di trattare, ma di concludere nulla
, und da ich von Richelieu im gleichen Sinne beauftragt |73| worden war, konnte unser Gespräch nur eine Art Spiel sein, und wenn schon Spiel, dachte ich, will ich mir auch einen Spaß
     daraus machen. Maliziös unterbreitete ich dem Herzog also die gleichen Friedensangebote, die der Graf von Verrua in seinem
     Namen Ludwig gemacht hatte, und der Herzog lehnte sie, wie erwartet, prompt ab.
    Wahrscheinlich, sagte ich mir, war Karl Emmanuels Gehirn genauso lahm geworden wie seine Füße. Weil ich andererseits für den
     alten Mann aber eine kuriose Mischung aus Antipathie und Mitleid empfand, die mir dieses Gegenüber peinlich machte, beschloß
     ich, den Spaß zu beenden und lieber meinen Urlaub zu erbitten.
    Der Herzog schien überrascht und beunruhigt, daß unser nutzloser Austausch nicht so lange dauerte, wie er sich vorgenommen
     hatte, und beurlaubte mich mit betont hochmütiger Miene, was ich, so von Herzog zu Herzog, ziemlich verwunderlich fand. Ich
     kassierte es jedoch ohne jedes Wimpernzucken und machte Seiner Durchlaucht zum Abschied meine tiefe Verbeugung samt großem
     Hutschwenk.
    Die Würfel waren gefallen! Und der arme Tor hatte keine guten Zahlen! Doch was verlor er letztlich? Sein Sohn war Ludwigs
     Schwager, nichts würde ihm genommen, eher wohl noch Geld bezahlt werden für den »Schlüssel zu Italien«.

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    |74| VIERTES KAPITEL
    Kaum war ich im königlichen Feldlager zu Oulx abgesessen, kam schon ein Musketier gelaufen und sagte, daß Seine Majestät mich
     umgehend erwarte. Das bedeutete, ich durfte mir nicht einmal Zeit lassen, die Stiefel auszuziehen, mich zu waschen, zu rasieren,
     frische Kleider anzulegen noch einen Happen zu essen.
    Der Verdruß, den ich hierüber empfand, stieß mich wieder einmal mit dem Finger darauf, weshalb das Waffenhandwerk mich nie
     verlockt hatte: Mir widerstrebte es, sinnlos strenge und darum ärgerliche Befehle zu empfangen. Daß Ludwig und der Kardinal
     mir dann und wann Instruktionen erteilten, mochte hingehen, doch täglich Instruktionen des arroganten Bassompierre, des zornmütigen
     Toiras, des pingeligen Schomberg oder selbst des zeremoniösen Créqui hinzunehmen, das hätte ich nie und nimmer ertragen.
    Ausgerechnet aber unsere vier Marschälle, die der Leser schon kennt und denen ich Toiras vorzeitig hinzuzähle, waren beim
     König versammelt, ausgeruht, frisch, satt und wohl in ihrer Haut, mit Ausnahme des armen Créqui freilich, der hustete, schniefte
     und vor allem lamentierte, was für einen Soldaten schmählich ist.
    Ludwig kürzte meine Begrüßung nicht ab, wie Richelieu das zu tun pflegte, dafür hatte er aber die Freundlichkeit, die der
     Kardinal nicht gehabt hätte, seiner Frage eine familiäre Note zu geben, indem er mich Sioac nannte, der Leser weiß, warum.
    »Nun, Sioac«, sagte er, »wie steht es mit den Befestigungen von Susa?«
    Ich berichtete über die drei Barrikaden, ihre Schwachstellen, die unnützen Gräben, den fehlenden Torturm, und ich betonte
     vor allem die Tatsache, daß der Steilhang rechter Hand über den Barrikaden nicht befestigt, ja nicht einmal bewacht war, weil
     der Signor Bellone es von vornherein ausschloß, daß ein Feind von dort kommen könnte, weil er hinter Chiomonte die |75| Straße verlassen und über Berge und Täler mit zugeschneiten Maultierpfaden ziehen müßte.
    »Sioac, wie heißt das Gebiet dort?« fragte Ludwig.
    »Das Gravere, Sire, obwohl keines der Dörfer diesen Namen trägt.«
    »Wie hoch sind die Berge?«
    »Selten über vierhundert Klafter.«
    »Es wäre aber nicht leicht«, sagte

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