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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Bassompierre, »sich in einem Labyrinth aus Bergen und Tälern zu orientieren, wenn die Pfade
     zugeschneit sind. Man kann sich verirren und im Kreis laufen.«
    »Der Kompaß«, sagte Toiras in wenig liebenswürdigem Ton, »ist in der königlichen Armee nicht unbekannt.«
    Bassompierre tat, als habe er die Bemerkung nicht gehört.
    »Es gibt aber nicht nur den Kompaß«, sagte ich, »man kann auch Dorfbewohner des Gravere zum Führer nehmen.«
    »Kommen die Leute Eindringlingen so bereitwillig entgegen?« fragte Bassompierre ironisch.
    »Allerdings«, schaltete sich mit sanfter Stimme der Kardinal ein. »Die Franzosen haben in Savoyen einen guten Ruf. Und den
     verdanken sie Eurem Herrn Vater, Sire. Als er das Herzogtum 1601 besetzte, hatten die Soldaten Befehl, Tiere, Vorräte, Häuser
     und Frauen nicht anzurühren.«
    Dieser wenigstens hinsichtlich des
gentil sesso
erstaunliche Befehl aus dem Munde des galanten Königs veranlaßte die Marschälle zu einem Lächeln, Ludwig hingegen nahm ein
     so frivoles Detail nicht einmal wahr. Wie stets war er quasi zu Tränen gerührt, wenn er seinen Vater rühmen hörte. Und Richelieu
     hatte zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er hatte sich gleich eingangs der Debatte die Sympathie des Königs gesichert
     und die Marschälle durch seine Kenntnis des früheren Kriegszuges verblüfft.
    »Außerdem«, fuhr Richelieu fort, »erhielten die Truppen Befehl, alles, was sie kauften, mit dem doppelten Preis zu bezahlen.
     Man kann sich vorstellen, welch gutes Ansehen sie sich damit erwarben.«
    »Aber was machen wir nun?« fragte Bassompierre in so ungeduldigem und herrischem Ton, als wären die von Richelieu erwähnten
     Dinge nichtiges Geplapper.
    »Die Frage müßt Ihr Euch selber stellen, meine Herren«, |76| sagte Ludwig, den die Worte des Kardinals erfreut hatten und der nicht wollte, daß Bassompierre sie so wegwischte.
    »Die Frage«, wiederholte Ludwig, »müßt Ihr Euch schon selbst stellen, meine Herren.«
    Wie immer in einem solchen Fall trat langes Schweigen ein, keiner wollte als erster sprechen.
    »Schomberg?« fragte der König.
    »Die Alternative ist folgende, Sire«, sagte Schomberg, methodisch und genau wie immer, »entweder wir führen gegen die Barrikaden
     einen Frontalangriff, oder wir begleiten diesen durch einen Angriff an der Südflanke der Barrikaden, indem wir über das Gravere
     gehen. Für meine Begriffe wäre dieser Angriff entscheidend, wenn besagte Flanke tatsächlich von jeder Verteidigung und Bewachung
     frei ist.«
    »Derzeit ist sie es«, sagte ich, sogleich erschrocken, daß ich, ohne zu fragen, das Wort ergriffen hatte, »doch kann ich für
     die Zukunft nicht garantieren. Aber Signor Bellone war so fest überzeugt, daß die Franzosen nicht von dort angreifen würden,
     daß ich annehme, die Südflanke wird bleiben, wie sie war, das heißt ungeschützt.«
    »Ich kann den Sinn dieser umkreisenden Bewegung nicht einsehen«, sagte Créqui. »Wenn die Barrikaden aus Holz sind, genügen
     ein paar Kanonenkugeln, und die Sache ist erledigt.«
    Vielleicht fürchtete er bei seinem schlechten Zustand, daß man die Expedition in das Gravere ihm anvertrauen würde, weil er
     Italien und die Italiener kannte und daher am besten geeignet war, Führer über die verschneiten Pfade zu finden.
    Ich hob die Hand, das Wort zu erbitten.
    »Mein Cousin«, sagte Ludwig, »Ihr könnt in die Debatte genauso eingreifen wie unsere vier Marschälle, denn Ihr habt uns diese
     Auskünfte gebracht.«
    Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie verdattert und beglückt Toiras war, vom König zu den »vier Marschällen« gezählt zu werden,
     obwohl er den Titel noch gar nicht hatte; ob das nun ein Versehen war oder ein Versprechen, es wärmte ihm jedenfalls das Herz.
    »Sire, was ich sagen wollte«, wandte ich mich an den König: »Bei dem Dorf Exilles, auf halbem Weg zwischen Oulx und Chiomonte,
     war die Straße so zugeschneit, daß unser Karren tief einsank und den Pferden der Schnee bis zum Bauch reichte. |77| Es hat Stunden gedauert, um sie freizuschaufeln. Wenn nicht Tauwetter eintritt, was unwahrscheinlich ist, kann Eure Artillerie
     diesen Weg nicht nehmen, und es gibt auch keinen anderen, denn zur Linken ist der Fluß und rechts ein Steilhang.«
    Hierauf trat langes, bedrücktes Schweigen ein, denn welcher Kriegsmann will ins Feld ziehen ohne seine Artillerie?
    »Nun ja, Sire«, sagte Toiras, der nach seiner unausgesprochenen Beförderung sich weniger scheute, unter

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