Rache der Königin
»seinesglei chen « das Wort zu ergreifen, »das ändert alles. Ohne Artillerie kann ein Frontalangriff auf die Barrikaden nur ein Kampf Muskete
gegen Muskete sein, und das ist sehr verlustreich. Folglich sind wir wohl zu einem Angriff von der ungeschützten Flanke her
gezwungen.«
»Das denke ich auch«, sagte Schomberg.
Créqui und Bassompierre schwiegen. Der erste aus dem genannten Grund, Bassompierre, weil er gern den Schwierigen spielte und
sich in der Feste seiner unendlichen Überlegenheit verschloß. Der König, der dies sattsam kannte, ignorierte sein Schweigen
und fragte den Kardinal nach seiner Meinung.
»Sire«, sagte Richelieu, »Eure Majestät erlaube mir einen Rückblick in die Vergangenheit, um die Gegenwart zu erhellen. Als
der Konnetabel von Montmorency 1537 vor Susa stand, griff er gleichzeitig frontal und an der Südflanke an, die die Savoyarden
auch damals nicht befestigt hatten, und die Stadt wurde im Handumdrehen genommen. Ich schlage Eurer Majestät dieselbe Strategie
vor.«
Ob die Marschälle von dieser fast ein Jahrhundert zurückliegenden Belagerung nun wußten oder nicht, sie staunten nicht schlecht,
mancher wohl auch mit Unbehagen, daß Richelieu wieder einmal alles über alles und alle wußte, in Krieg und Frieden, in Vergangenheit
und Gegenwart.
»Dies scheint mir die beste Methode«, sagte Ludwig in entschiedenem Ton. »Meine Herren Marschälle, unser Gespräch ist beendet.
Wir wollen jedoch, daß Marschall von Créqui und der Herzog von Orbieu noch hierbleiben.«
Die drei Marschälle zogen sich zurück, jeder auf andere Weise. Schomberg als disziplinierter Soldat, für den ein Befehl Befehl
ist und keinen Widerspruch, nicht einmal das Nachdenken darüber, duldet. Toiras, der seinen inneren Jubel, schon zu den Marschällen
gerechnet zu werden, kaum verbergen konnte, |78| und Bassompierre, der an der königlichen Entscheidung nicht hatte teilnehmen wollen und sich nun vorbehielt, diese im Prinzip
wie in der Ausführung endlos zu bekritteln, wie er es bereits vor La Rochelle getan hatte, vom ersten bis zum letzten Tag
der Belagerung.
Der arme Créqui, der sich mit Mühe aufrecht hielt, gab mit seinen tränenden Augen und seiner laufenden Nase eine traurige
Figur ab, die es mehr nach dem Bett und heißem Kräutertee als nach einem langwierigen und beschwerlichen Marsch verlangte.
»Mein Cousin«, sagte Ludwig zu ihm, »Euer Sohn, Graf von Sault, hat sich an der Spitze seines Schweizerregiments bewährt.
Da diese Schweizer die Berge kennen und ich über Graf von Sault viel Gutes höre, möchte ich ihm die Aufgabe anvertrauen, sich
über die Südflanke den Barrikaden von Susa zu nähern und sie anzugreifen, bevor mein Frontalangriff beginnt.«
»Sire«, sagte Créqui, zugleich erleichtert, daß der Kelch an ihm vorüberging, und betrübt, eine Expedition nicht befehligen
zu können, die seinen Ruhm vergrößert hätte, »diese Aufgabe hätte ich mit Freuden übernommen, wenn ich durch meinen Katarrh
nicht reichlich geschwächt wäre, und ich bin Euch unendlich dankbar, daß Ihr sie meinem Sohn übergebt.«
»Ich danke Euch, mein Cousin«, sagte Ludwig. »Doktor Bouvard wird Euch zu Eurem Logis begleiten und Euch alle Fürsorge angedeihen
lassen, die Euer Zustand erfordert.«
Nachdem der Marschall gegangen war, wandte sich Ludwig an mich.
»Mein Cousin, seid Ihr einverstanden, dem jungen Grafen von Sault Eure diplomatischen Talente und Eure Italienischkenntnisse
zur Verfügung zu stellen, und wäre es nur, um den Bauern des Gravere Zutrauen einzuflößen und unter ihnen geeignete Führer
zu finden?«
Einverstanden, dachte ich, du lieber Gott! Als ob ich nicht einverstanden sein dürfte!
»Mit Vergnügen, Sire«, sagte ich und machte eine tiefe Verbeugung.
Und nicht ohne Ironie sagte ich mir, sosehr ich dem Waffenhandwerk auszuweichen versuchte, schnappte es, den Teufel noch eins,
doch immer wieder nach mir, zuletzt auf der Insel Ré bei Toiras und jetzt im Gravere mit Graf von Sault. Und Catherine hatte
sehr recht gehabt, als sie fragte, ob Karl Emmanuels |79| Soldaten zwischen dem Kriegsmann und seinem Dolmetscher würden unterscheiden können.
***
Ludwig legte großen Wert auf die Gesundheit seiner Soldaten und hatte deshalb den Sanitätsdienst in den Armeen bedeutend verstärkt;
der wurde nicht mehr nur von Feldscheren versehen, sondern auch von Doktoren der Medizin, dazu gab es Fußpfleger, die zugleich
Entlauser
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