Rache der Königin
vollkommen nachahmte und sich im Kopf schon die Wörter zurechtlegte,
um diese unsere Gesandtschaft seiner Liebsten daheim zu erzählen.
Von den sechs Musketieren, die ihm folgten, konnte ich nichts sehen, doch bin ich mir sicher, daß sie vollendet die tapfere
und höfliche Männlichkeit zur Schau stellten, als deren Muster sie, wie sie wohl wußten, in Frankreich galten, und zwar in
den Bettgassen der Damen ebenso wie auf den Schlachtfeldern des Königs.
Nach dem Solo des Trompeters und der Ankündigung des Herolds, eins so beeindruckend wie das andere, erschien hinter der Barrikade
eine neue Person, der Feldmeister Signor Bellone nämlich, der mich mit allem gebührenden Respekt wissen |71| ließ, daß er einen Sergeanten ausschicke, meine Ankunft und Mission Seiner Erlauchten Hoheit, Karl Emmanuel I., Herzog von
Savoyen, zu melden.
Die Pforte der Barrikaden wurde mir aufgetan, kurzerhand saß ich ab, und während ich, mit dem rundum runden Signor Bellone
plaudernd, auf und ab ging, sah ich alles, was ich von diesen Verteidigungsanlagen sehen wollte.
Was ich beobachtete, machte mir keinen großen Eindruck. Die Befestigung bestand aus drei hintereinander liegenden hölzernen
Barrikaden, je mit einem Graben davor, doch waren diese Gräben völlig unnütz, denn damit Karossen und Karren stadtaus und
-ein fahren konnten, war ein Überweg gebaut, den ein eventueller Feind genausogut passieren konnte, ohne sich durch besagte
Gräben aufhalten zu lassen. Außerdem war die Pforte in der äußeren Barrikade, die man mir geöffnet hatte, für meine Begriffe
viel zu schwach; sie konnte allein mit Manneskraft gesprengt werden, ohne eine Kanone zu benutzen. Des weiteren war der Zwischenraum
zwischen dem monumentalen Stadttor und der ersten Barrikade viel zu schmal, um mehr als zweihundert Verteidiger aufzunehmen,
und was vermochten die gegen unsere fünfunddreißigtausend Soldaten?
Was nun das monumentale Stadttor anging, von dem ich sprach, so sprang mir dessen Schwäche geradezu ins Auge: Es war weder
durch eine Zugbrücke geschützt noch durch einen Wassergraben und ebensowenig durch einen Torturm mit Wachgang und Pechnasen,
von denen aus ein Angreifer mit Musketenfeuer zurückgeschlagen werden konnte. Ohne Aufschneiderei möchte ich behaupten, daß
die Burg Mespech im Périgord, die Wiege meiner Ahnen, denn doch anders bewehrt war, und sei es nur durch die umgebenden Gräben,
für die hier die Dora Riparia Wasser im Überfluß geliefert hätte.
Ich solle ein wenig innerhalb der Barrikaden warten, sagte Bellone, bis ein Edelmann komme und mich zum Herzogsschloß von
Susa führe. Als
buon diavolo
, der sich nichts Böses dachte, gestand mir Bellone, er sei am Vortag erst aus dem Mailändischen eingetroffen, um die Barrikaden
zu verstärken, und hoffe sehr, daß es keinen Krieg geben werde, der sein Werk zerstören könnte. Als ich hieraus sah, wie wenig
er seiner Aufgabe genügte, fragte ich, den Harmlosen spielend, ob er den steilen Hügel zu befestigen gedenke, der die Barrikaden |72| zur Rechten überragte.
»Ma no! Ma no!«
rief er lachend, »wer sollte denn durch das Gravere gehen, wo nichts als Berge und Täler sind und Maultierpfade, die im Winter
unterm Schnee verschwinden, wenn er doch, ohne sich zu verirren und ohne Hindernisse, auf so guter Straße zu uns gelangen
kann wie entlang der Dora Riparia?« Wie man weiß, bin ich selbst kein Mann des Krieges, doch in dem Moment lernte ich, daß
es für einen General nichts Fataleres gibt als Voreingenommenheit.
Wer anders erschien nun, um mich zum Schloß zu führen, wenn nicht der
bel Conte di Verrua
? Da wir uns zu Briançon zwei-, dreimal begegnet waren, dachte er wohl, wir seien große Freunde, und umarmte mich herzlich,
was ich, von seinem offenen Wesen sofort eingenommen, gern erwiderte. Er befahl, die großen Torflügel zu öffnen, um mich und
meine Eskorte in die Stadt einzulassen, worauf an allen Fenstern im Handumdrehen sich viele Neugierige, Männer wie Frauen,
einfanden, die uns ohne jede Feindseligkeit, ja sogar mit einer Gunst betrachteten, als wäre unser Einzug für sie ein ebenso
erfreuliches wie glänzendes Schauspiel.
Ich konnte es kaum erwarten, den Herzog von Savoyen, von dem schon soviel die Rede gewesen war, endlich von Angesicht zu sehen.
Wie man sich erinnern wird, hatte dieser Zaunkönig gar zu gern König werden wollen und nacheinander erfolglos seine Nachbarn
angegriffen, um sich
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