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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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zu geben.
    Bald hatte ich großen Vorsprung vor dem Gros der Armee, meine ganze Truppe saß zu Pferde wie ich (und wie Nicolas, der mir
     wie mein Schatten folgte). Meine wappengezierte Karosse war schnöde dazu verdammt, mit den Gepäckkarren hinter uns her zu
     zuckeln.
    Meine Accla, die mit mir schmollte, wenn ich sie zuwenig ritt, die hinwiederum auch nicht zuviel geritten sein wollte, war
     noch in ihrer reizenden Morgenlaune, was ich an ihren vergnügt zuckenden Ohren sah, und in leichtem Trab zog ich die alte
     Römerstraße an der Dora Riparia, schaute bald auf den klaren, reißenden Fluß, bald nach den hohen, nebelumwallten Gipfeln
     dahinter und bald auf die rundlichen Kuppen des Gravere zu meiner Rechten. Mehr und mehr verliebte ich mich in dieses Bergland,
     und mein Hochgefühl wuchs, als auch noch helle Sonne durch die Wolken brach. Leider war uns die Sonne nicht treu. Manchmal
     wärmte sie schon ein wenig und wiegte uns in der trügerischen Hoffnung, der Winter sei vorbei, dann verschwand sie wieder
     hinter einer dicken Wolkendecke und überließ uns der um so rauher empfundenen Kälte.
    Wieder brachen bei Exilles, wo wir Rast hielten, unsere Gefährte im Schnee ein, die Karren bis über die Räder und die Pferde
     bis zum Bauch. Die guten Leute des Ortes, nachdem sie uns freudig begrüßt und dem
duca d’Orbiou
die Hand geküßt hatten (damit, mußt du wissen, Leser, war natürlich ich gemeint), erboten sich sogleich, uns auszugraben,
     und unverweilt krempelten auch die Musketiere, ihres Adels ungeachtet, die Ärmel auf. An Schaufeln fehlte es nicht, Richelieu
     hatte uns gut damit versorgt. Doch schloß ich aus diesem wiederholten Mißgeschick, daß der König seine Artillerie nicht über
     Exilles würde hinausführen können, was ich ihm auch unverzüglich melden ließ. Er konnte sie nur über eine solide Steinbrücke
     auf das andere Ufer der Dora Riparia und in die Feste transportieren, um sie dort bis zur Schneeschmelze zu verwahren.
    Die Dinge vollzogen sich denn auch, wie von mir vorgesehen, |82| und obwohl es dem König bitter leid war, seine Artillerie gerade in dem Moment zurückzulassen, da er Susa angreifen wollte,
     ließ er sich dies nicht anmerken, als ich ihn wiedersah. Sobald er eingetroffen war und ich ihm alles am Ort gezeigt hatte,
     setzte ich meinen Weg nach Chiomonte fort, das Seine Majestät zur Ausgangsbasis seines Angriffs auf Susa erkoren hatte, welcher
     laut seinem Befehl am sechsten März statthaben sollte. Ich erreichte Chiomonte am vierten März, Seine Majestät am fünften.
    War der Empfang in Exilles freudig gewesen, war der in Chiomonte an jenem hellen Morgen ganz und gar überschwenglich. Der
     Grund dafür war, daß die Dorfbewohner mir über alle Maßen dankbar waren, daß ihr einziger Karren durch meine Mithilfe instand
     gesetzt worden war.
    Auf einmal erblickte ich in der Menge, die sich um mein Pferd drängte, in einem Wust von Haupt- und Barthaaren zwei blinkende
     jettschwarze Augen, und an der Haardichte erkannte ich Filiberto.
    »Filiberto«, rief ich,
»vieni qui!«
    Er spaltete die Menge mit der neuen Autorität, die mein Ruf ihm verlieh, der ihn in seinem Empfinden weit über seinesgleichen
     erhob. Zumal er ja schon die unvergeßliche Gunst genossen hatte, einer Familienangelegenheit wegen auf meinem Kutschbock mit
     nach Susa zu fahren. Filiberto hatte folglich das Gefühl, fortan zu meinem Gesinde zu gehören und mich gewissermaßen als seinen
     Herrn zu betrachten.
    »Vostra Altezza si ricorda di me e del mio nome!«
rief er, überglücklich vor Stolz.
    »Si, certamente, Filiberto. Vieni nella mia tenda a mezzogiorno in punto. Vorrei parlarti.«
    »Agli ordini, Vostra Altezza«
1 , sagte er und verneigte sich bis zur Erde.
    Und er zog sich wieder in die Menge zurück, wie es seiner neuen Würde gebührte, mit einer Art Feierlichkeit, die in keiner
     Weise lächerlich wirkte, so gut war sie gespielt. Gott, wie dieses Volk mir gefällt! dachte ich. Es hat im höchsten Maße den
     Sinn für Spiel und Komödie.
    Ich beendete mein Mittagsmahl, als Filiberto in ehrerbietigem |83| Schritt in mein Zelt trat, und es kostete mich einige Mühe, bis er bereit war, sich zu setzen und aus den Händen meines Dieners
     ein Glas Wein entgegenzunehmen. Wenn er sich aus Respekt auch nur mit einer Hinterbacke auf den Schemel niederließ, ehrte
     er doch meinen Weinkeller, indem er sein Glas auf einen Zug leerte. Von diesem Wein, dachte ich, wird in Chiomonte noch

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