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Rache der Königin

Rache der Königin

Titel: Rache der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Mittel, um sich gegen Schüsse zu feien?«
    »Oh, mein Gott! Denkt sie wahrhaftig an Mord?«
    »Ich fürchte es, und der Geächtete fürchtete es auch, denn er tat, als habe er den Sinn der Frage nicht verstanden. Seine
     Antwort: Wenn der Kardinal sich in Italien an gefährliche Orte begibt, kann kein Mittel der Welt ihn davor schützen.«
    »Gut gesprochen!«
    »Und nun die vierte und letzte Frage der Königinmutter: Kann der Kardinal in der Zukunft von einer Hellebarde erstochen werden?«
    »Ehrwürdiger Domherr, damit wird klar, daß die Königinmutter an einen Hinterhalt denkt. Und was sagte der Geächtete?«
    »›Eure Majestät wolle mir vergeben, aber ich sehe nicht über die künftigen fünf Jahre hinaus, und innerhalb dieser fünf Jahre
     kann ich nichts von einem Hellebardenstoß gegen besagte Person erkennen.‹«
    »Ein Hoch auf den Mann!« rief ich. »Ihm sei ein langes Leben ohne Kerker und Galgen vergönnt!«
    |180| Ich erinnere mich keiner Etappe von Paris bis Lyon, so zergrübelte ich mir das Hirn aus Sorge um den Kardinal. Nicht nur,
     daß die Königinmutter eine Medici war – denn wie es die Geschichte bezeugt, waren die Medici ein mörderisches Geschlecht –,
     ich fürchtete auch, daß die Königinmutter bei ihrem geringen Verstand und der Wut, mit der sie ihre Rachegefühle nährte, sich
     tatsächlich zu Unternehmungen hinreißen ließe, die ihr im Fall des Erfolgs wie des Scheiterns nur ewige Verbannung einbringen
     konnten. Zum Unglück war sie so beschränkt und gleichzeitig so von ihrem Groll erfüllt, daß sie sicherlich nicht einmal bemerkt
     hatte, wie zurückhaltend der Geächtete ihre gefährlichen Fragen beantwortete.
    Sobald wir Lyon erreichten – diese schöne Stadt der zwei Flüsse und einer Halbinsel darin –, überließ ich es Fogacer, uns
     eine Unterkunft zu beschaffen, und eilte in aller Hast zum erzbischöflichen Palast, wo der König logierte.
    Mit Ausnahme von Beringhen und dem Leibarzt Bouvard war um Seine Majestät niemand zugegen. Schon im Nachtgewand, halb auf
     seinem Himmelbett liegend und den Rücken von großen Kissen gestützt, hielt Seine Majestät zwischen den Knien einen Napf mit
     wohlriechender, dampfender, dicker Suppe, die er mit sichtlicher Wonne und so geräuschvoll schlürfte, daß meine liebe Patin
     es schon »gewöhnlich« genannt hätte. Doch was scherte es Ludwig, daß man ihn verfressen fand. Er rühmte sich dessen sogar.
     Unersättlich wie sein Vater, dachte ich eines Tages, nur daß es bei Henri die Frauen waren.
    Was meinen Vater angeht, so beklagte er immer, daß Ludwig so viel aß, und wunderte sich, daß der selige Doktor Héroard ebenso
     wie sein Nachfolger, Doktor Bouvard, ihn nicht zu zügeln versuchten, weil diese Maßlosigkeit der Gesundheit des Königs schadete,
     denn seine Eingeweide waren schwach und bereiteten ihm häufige Leiden.
    Als Ludwig mich erblickte, erriet er sofort, daß etwas Ungewöhnliches vorlag, und machte Beringhen und Bouvard ein Zeichen,
     sich ans andere Ende des Gemachs zurückzuziehen.
    »Sioac«, sagte er, »nimm hier auf dem Schemel Platz. Und nun sprich, was bringst du mir?«
    Leser, ich bekenne, daß es mir nicht leichtfiel, den bewußten Bericht zu verlesen, während Ludwig so geräuschvoll seiner Suppe
     zusprach. Das Schlürfen dauerte indes nur bei der ersten |181| und zweiten Frage der Königinmutter an, die ja beide auch eher dumm als bösartig waren.
    Das änderte sich, als es um Erschießen und Hellebardenstöße ging. Ludwig sank der Löffel in die Suppe, er erbleichte vor Zorn,
     seine Lippen zitterten. Doch der Zorn verebbte. Das Blut kehrte in Ludwigs Wangen zurück.
    »Von allen, die Kabalen anstiften, macht mir die Königinmutter am meisten zu schaffen. Sie ist rachsüchtig bis zum Exzeß,
     und weil sie keinen Funken Verstand hat, lernt sie aus ihren Fehlschlägen nichts. Sioac! Hat man jemals eine solche Narretei
     gehört? Eine Königinmutter will den Minister ihres Sohnes ermorden, den besten Diener, den er jemals hatte!«
    Die Augen halb geschlossen, schien Ludwig sich melancholischen Gedanken hinzugeben.
    »Beringhen«, rief er, »nimm mir den Napf weg, ich habe keinen Hunger mehr.«
    Dann seufzte er und sagte wie zu sich selbst: »Es hilft nichts, eines Tages muß ich diesem Treiben ein Ende setzen.«
    ***
    Vorm erzbischöflichen Palais wartete meine Kutsche, und Fogacer begleitete mich zu unserem Domizil, einem kleinen, aber angenehmen
     Haus. Drinnen sah ich Nicolas hin und her

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