Rache der Königin
gehen und nach Anweisung der Wirtin Teller und Gedecke auftragen. Die Frau erschien
mir klein und angenehm wie ihr Haus und umfing mich sogleich mit schalkhaftem Blick. Sie habe Diener und Magd wegen »Faulheit
und Unzucht« entlassen müssen, erklärte sie, und sei glücklich, an Monsieur de Clérac eine so bereitwillige Hilfe gefunden
zu haben.
Nicolas half ihr, ja, aber ob das bereitwillig geschah, bezweifelte ich. Seiner mürrischen Miene nach fühlte er sich vielmehr
gedemütigt, Teller zu tragen, anstatt im Hof unsere Pferde zu striegeln und ihre Eisen zu überprüfen. Außerdem warf er unfreundliche
Blicke auf uns, denn viel zu beschäftigt mit Fogacers Eröffnungen, hatte ich ihn die ganze Reise über nicht in meinen Wagen
gerufen. Besonders wütend aber schien er auf Saint-Martin zu sein, vermutlich fand er, daß um diesen kleinen »Affen« zuviel
Gewese gemacht werde.
Unsere Wirtin, Madame de Monchat, saß unserer Mahlzeit |182| vor und schien es ausnehmend zu genießen, so viele Männer um sich zu haben. Die Ärmste ahnte ja nicht, daß zwei davon sich
nichts aus dem
gentil sesso
machten und die anderen zwei sich gelobt hatten, ihren Frauen treu zu sein.
Müde von der langen Reise, hoffte ich, mich einmal auszuschlafen. Daraus wurde nichts, zu früher Morgenstunde klopfte ein
Bote des Kardinals ans Tor und meldete, daß Seine Eminenz meiner italienischen Übersetzung bedürfe. Verdammt, dachte ich,
wo ist denn Graf von Sault, daß ich wieder für ihn einspringen muß? Sie können sich wohl vorstellen, Leser, wie unwillig ich
auf die Beine kam.
Es lag nicht in der Gewohnheit des Kardinals, sich zu entschuldigen, wenn er einen Herzog und Pair in aller Herrgottsfrühe
hatte wecken lassen. Gleichwohl erklärte er mir, daß Graf von Sault, der seit längerem an einem Backenzahn litt, sich diesen
in Lyon endlich habe ziehen lassen, weil seine Wirtin ihn versicherte, es gebe in der Stadt einen Bader, der ungewöhnlich
geschickt und behutsam sei.
Nun, und ein Dolmetsch war dem Kardinal an diesem Morgen unerläßlich, denn er wollte in Kürze den päpstlichen Legaten Barberini
und dessen Sekretär Mazarini 1 empfangen. Und der, fuhr der Kardinal fort, sei »der hellste Kopf und derjenige von beiden, der am glücklichsten zu verhandeln wisse«. Gewiß
zwitschere Mazarini recht nett Französisch, Barberini aber gar nicht, so daß Mazarini ihm jeweils übersetzen müsse, was zwischen
ihm und dem Kardinal besprochen werde.
»Und von Euch möchte ich wissen«, erklärte Richelieu, »was Mazarini genau auf italienisch zu Barberini sagt. Darin wird Eure
Aufgabe bestehen, mein Cousin.«
»Diese Aufgabe, Eminenz, könnte ich vielleicht besser erfüllen, wenn ich vorher wüßte, um was es geht.«
Wie der Leser weiß, durfte man dem Kardinal keine Fragen stellen und mußte deshalb kleine Umwege machen, wenn einen besagte
Fragen unerläßlich dünkten.
»Ich wollte es eben präzisieren«, sagte Richelieu leicht pikiert. »Es geht um folgendes: Der Papst möchte zwischen den Spaniern
und dem König von Frankreich vermitteln, um eine |183| Konfrontation auf italienischem Boden zu vermeiden, weil er meint, daß diese Konfrontation für seine Staaten verheerend sein
könnte. Diese Vermittlung ist nicht nur christlich gedacht, sie gibt dem Papst auch die Möglichkeit, weder für die eine noch
die andere kriegführende Seite Partei zu nehmen. In Wahrheit aber begünstigt er damit uns, denn allein durch die Tatsache,
daß die Verhandlung stattfindet, erkennt der Papst die Anwesenheit der Franzosen in Italien als ebenso legitim an wie die
der Spanier. Was nun sicherlich nicht die Position Philipps IV. von Spanien ist, der ja immer der Ansicht war, er habe das
Mailändische in frömmster Absicht besetzt. Denn«, fuhr Richelieu ironisch fort, »hat er vorher nicht jedesmal seine Theologen
befragt, ob der Herr diese Aneignung erlaube?«
Die Verhandlung hatte in einem kleinen Salon statt, nur der König saß, zu seiner Rechten stand Richelieu, ich zu seiner Linken,
auf gleicher Augenhöhe mit Legat Barberini und Giulio Mazarini.
Francesco Barberini war ein Verwandter Papst Urbans VIII. Italienischem Brauch gemäß, hatte der Papst gleich nach seiner Wahl
für das Glück seiner Familie gesorgt und seinen Bruder Antonio sowie seine Neffen Francesco und Antonio zu Kardinälen ernannt.
Francesco, den ich hiermit vorstelle, ein künstlerisch interessierter Geist, widmete
Weitere Kostenlose Bücher