Rache der Königin
königlichen Truppen waren Ludwig und Richelieu unterstellt.
Gaston konnte nur die Wachen befehligen, die den Parisern – schlecht und recht – zum Schutz vor dem Gesindel dienten, das
mit Erlöschen der Lichter die Straßen beherrschte.
Der drückenden Sorge um den Bruder enthoben, brach der König mit seiner Armee am achtundzwanzigsten April von Paris auf und
erreichte am zweiten Mai Lyon. Die beiden Königinnen hatten Order, ihn dort am fünften Mai mit starker Begleitung einzuholen.
Und ohne daß ich mit diesem Troß etwas zu tun hatte, folgte ich ihm ebenso wie Fogacer und der Apostolische Nuntius, der die
beginnenden Verhandlungen zwischen den Spaniern und uns aus nächster Nähe beobachten wollte.
Ich reiste am neunundzwanzigsten April, und wie ich mich entsinne, hatte ich am Vorabend einen langen Kopfkissenplausch mit
Catherine. So tief traurig sie war, daß ich sie nun doch wieder auf unbestimmte Zeit verlassen mußte, war sie trotzdem neugierig
genug zu fragen, warum Ludwig die Königinnen nach Lyon befahl.
»Sicherlich«, sagte ich, »um sie dem Einfluß der Pariser Kabalen und dem Marillacs zu entziehen. Letzteres ist freilich nur
halb geglückt, denn die Königinmutter hat sich lautstark geweigert, ohne Monsieur de Marillac nach Lyon zu gehen. Und Ludwig
mußte sich beugen, obwohl der Platz eines Siegelbewahrers unstreitig in Paris ist und nicht in Lyon.«
|176| »Findet Ihr das nicht einen Beweis von Schwäche?«
»Im Gegenteil! Ludwig hat damit Geduld und Weitsicht bewiesen. Ein Konflikt mit der Königinmutter jetzt, da er in den Krieg
nach Italien zieht, wäre verhängnisvoll. Gott weiß, was sie in der Kapitale im Verbund mit Gaston anrichten könnte, der ja
jederzeit bereit ist, seinem Bruder einen bösen Schabernack zu spielen.«
»Mein Gott!« sagte Catherine, »wie tut der arme König mir leid! Was für eine traurige Familie! Seine schlimmsten Feinde –
Mutter und Bruder!«
»Nehmt seine Gemahlin hinzu, mein Lieb, und das Bild ist vollständig.«
»Was, die Königin, eine Feindin des Königs?«
»Ihrer Aufführung nach jedenfalls. Habt Ihr seinerzeit vom Chalais-Prozeß gehört?«
»Wenig. Bedenkt, Lieber, daß ich damals in Nantes lebte, in tiefster Provinz, und nichts von dem wußte, was am Hof vor sich
ging.«
»Nicht das Erfreulichste, kann ich Euch versichern. Chalais, ein törichter Edelmann, mußte gestehen, daß er sich ›vierzehn
Tage mit der Absicht trug, den König zu ermorden‹. Der Prozeß endete mit der Enthauptung des Dummkopfs. Im Verlauf der Untersuchungen
jedoch stellte sich heraus, daß die Königin unterm Druck des spanischen Gesandten sich einverstanden erklärt hatte, wenn der
König stürbe, ihren Schwager Gaston zu heiraten, den Nachfolger seines Bruders auf Frankreichs Thron.«
»Welchen Vorteil hätte Spanien davon gehabt?«
»Die Königin wäre, mit Gaston vermählt, Königin von Frankreich geblieben und hätte mittels des spanischen Gesandten Mirabel
nach wie vor wichtige Informationen über Frankreichs Politik geliefert.«
»Gott im Himmel!« rief Catherine. »Das war ja doppelter Verrat, an ihrem Gemahl und ihrem König! Und was tat Ludwig, als er
die schreckliche Nachricht hörte?«
»Was sollte er tun? Für einen christlichsten König kommt eine Scheidung nicht in Betracht.«
»Verzieh er Anna den doppelten Verrat?«
»Er wird ihn ihr wohl erst auf seinem Sterbebett verzeihen.«
»Und wie kann er so viele Jahre mit der Königin wie Mann und Frau leben?«
|177| »Er muß es. Die Königin soll Frankreich doch einen Dauphin gebären.«
»Und was würdet Ihr tun, Monsieur, wenn ich Euch verraten würde?« fragte sie mit schelmischer Miene.
»Keine Frage, ich brächte Euch um«, sagte ich und warf mich, den bösen Wolf mimend, über sie.
»Meine Güte!« rief sie kichernd, »nie hätte ich gedacht, daß der Tod so süß sein kann! Gnade, edler Herr, erbitt ich und begehr
ich nicht!«
***
Von der langen Reise nach Lyon, auf der ich Fogacer und seinen jungen Begleiter in meiner Karosse mitnahm, ist mir zweierlei
in Erinnerung geblieben. Das eine war eine Beobachtung, die ein unerwartetes Licht auf Fogacer warf, und das andere ein »Bericht«,
den er mir unbedingt gleich wiedergeben wollte, weil er ihm größte Wichtigkeit beimaß. Und mit Recht, Leser, wie sich zeigen
wird.
Während unserer holprigen Fahrt fiel mir auf, daß Fogacer, der doch immer »Mundfertige«, wie mein Vater sagte, häufig
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