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Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Rache verjährt nicht: Roman (German Edition)

Titel: Rache verjährt nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Stücke zu reißen.
    Kehren wir also zu dem Punkt zurück, an dem ich in den Wald abhaue und Imogen hinter mir her starrt, Johnny Nutbrown aus der Nase blutet, seine Eltern vor Entrüstung rot anlaufen, Sir Leon ungemein enttäuscht ist und Lady Kira mit bebenden Nasenflügeln ihre bevorzugte Hab-ich-doch-gleich-gesagt-Miene aufsetzt.
    Natürlich ist das meiste davon bloße Vermutung, abgesehen von Johnnys blutender Nase. Sicher ist nur, dass ich mein Sakko und die Krawatte zurückließ, die ich ja auf Vorschlag von Sir Leon abgelegt hatte.
    Am selben Abend brachte er die Sachen nach Birkstane.
    Ich war in meinem Zimmer. Natürlich hatte ich weder Dad noch Tante Carrie erzählt, was am Nachmittag passiert war, sondern nur irgendwas Unverständliches gemurmelt, als sie mich fragten, ob es schön gewesen war.
    Ich hörte draußen den Wagen anhalten, und als ich aus dem Fenster sah und Sir Leons Range Rover erkannte, erwog ich, aus dem Fenster zu klettern und die Fliege zu machen.
    Dann fiel mir auf, dass noch jemand im Auto saß, nachdem Sir Leon ausgestiegen war.
    Es war Imogen, und sie schaute zu mir hoch, das blasse Gesicht an die Scheibe gepresst.
    Einen Moment lang trafen sich unsere Blicke. Ich weiß nicht, was mein Gesicht verriet, aber ihres verriet nichts.
    Dann donnerte Dad: »Wilf! Komm auf der Stelle runter!«
    Den Moment zur Flucht hatte ich verpasst. Ich ging nach unten und fügte mich meinem Schicksal.
    Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Sir Leon sah das Ganze ziemlich gelassen. Er sagte, Jungs kabbeln sich nun mal, das liegt in den Genen, und er war sicher, dass ich ihn eher im Spaß als im Ernst geschlagen hatte, und Johnnys Nase war nicht gebrochen, und er ging davon aus, dass eine kleine schriftliche Entschuldigung alles wieder in Ordnung bringen würde.
    Dad stand hinter mir, während ich sie schrieb.
    Lieber Johnny, es tut mir sehr leid, dass ich dir eine blutige Nase verpasst hab. Das wollte ich nicht, es war ein Unfall. Mit freundlichen Grüßen Wilfred Hadda.
    Dad wollte auch, dass ich einen Brief an Lady Kira schrieb, aber Sir Leon meinte, das sei nicht nötig, er werde ihr meine Entschuldigung ausrichten.
    Als er ging, boxte er mich leicht gegen den Arm und sagte: »Wir Wölfe müssen uns genau überlegen, wann wir knurren, was?«
    Ich rechnete mit einer ordentlichen Tracht Prügel von Dad, sobald Sir Leon gegangen war, aber er sah mich bloß an und sagte: »So, mein Junge, das soll uns beiden eine Lehre sein. Es ist meine Schuld, ich hätte es besser wissen sollen. Leute wie wir und Leute wie die Ulphingstones, das geht nicht gut.«
    »Weil die was Besseres sind als wir?«, fragte ich.
    »Nicht doch!«, sagte er scharf. »Die Haddas sind genauso gut wie jeder andere auch. Aber wer Haushühner mit Turteltauben zusammensteckt, muss mit Ärger rechnen.«
    Und das war’s. Offensichtlich fühlte er sich mitverantwortlich. Ich hätte eigentlich heilfroh sein müssen, dass ich so glimpflich davongekommen war, aber als ich an dem Abend im Bett lag, musste ich ständig an Imogen denken, und ich fragte mich, warum sie ihren Vater nach Birkstane begleitet hatte.
    Am nächsten Tag bekam ich die Antwort. Sie hatte den Weg wissen wollen. Ich ging wie üblich gleich nach dem Frühstück aus dem Haus, also etwa um sieben. Dad stand um sechs auf und Tante Carrie auch. Frühstück war die einzige Mahlzeit am Tag, bei der auf sie Verlass war, vorausgesetzt, es störte einen nicht, das ganze Jahr über immerzu Porridge gefolgt von Rührei, gebratenen Würstchen und Blutwurst serviert zu bekommen. Wenn ich länger im Bett blieb, musste ich mir selbst was zum Frühstück machen, deshalb stand ich meistens mit ihnen auf.
    Es war ein schöner Morgen Ende Juli. Die Sonne war anderthalb Stunden zuvor aufgegangen, und die Morgennebel trieben den bewaldeten Berghang hinter dem Haus hoch, wo sie an den hohen Kiefern klebten wie die letzten hauchzarten Stofffetzen an einer aufreizenden Stripperin.
    Ich hatte nichts Bestimmtes vor, und es hätte ein Tag werden können, an dem ich gemütlich rumtrödelte, die Sonne genoss und am Abend noch im See schwimmen ging, aber für den Fall, dass mich die Lust überkommen würde, ein bisschen zu klettern, hängte ich ein kürzeres Stück Seil über meinen Rucksack und hakte mir ein paar Karabiner mit Schlingen an den Gürtel.
    Ich war noch keine hundert Meter weit gekommen, als Imogen hinter einem Baum hervortrat und sich mir in den Weg stellte.
    Ich wusste nicht,

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