Rache: Zwei Schwestern. Ein Traum. Die Stärkere gewinnt (German Edition)
Lichtstrahlen von draußen spendeten ein schwaches Licht. Chelsea schluckte. Sie dachte an Leo, der auf dem Heimweg war.
Zum Glück war sie allein. Dann begriff sie, dass sie immer allein gewesen war. Sie musste weitermachen. Sie musste morgen früh aufstehen und so tun, als ob alles in Ordnung war, obwohl alles schiefging – alles. Doch plötzlich dachte sie an die Rolle, die sie gespielt hatte. Die zähe Polizistin auf den Straßen Chicagos, die schon alles gesehen und zwei Kinder zu ernähren hatte.
»Du kannst mich mal«, zischte sie. »Wie kannst du es wagen, mich anzurufen und zu bedrohen? Was willst du, du Miststück? Geld?«
»So kannst du mit mir nicht reden …«, begann Oksana.
»Ich rede mit dir, wie ich will«, fauchte Chelsea. »Es steht Aussage gegen Aussage, und die anderen werden nichts sagen, selbst wenn die Sache an die Öffentlichkeit gerät, was nicht passieren wird. Du hast nichts gegen mich in der Hand, du kleine Schlampe. Glaub ja nicht, dass du Geld von mir kriegst.« Sie zitterte, war fast in Hochstimmung. »Ich bin Chelsea Stone – und wer bist du, dass du so mit mir reden darfst?«
»Dann rufe ich deine Schwester an. Was, wenn ich ihr alles erzähle?«
Amber! Wo immer sie gerade war – wahrscheinlich in einem Therapiezentrum für psychisch Angeschlagene. Was würde sie mit dem Wissen anstellen? Es vor dem Schlafengehen ihrer Barbiesammlung zuflüstern? Chelsea hätte am liebsten laut gelacht.
»Dann ruf sie doch an. Ich bin gespannt. Sie ist immerhin meine Schwester!«
»Maya war wie meine Schwester«, sagte Oksana. »Wir haben aufeinander aufgepasst. Du nicht. Du machst einen großen Fehler, Chelsea Stone. Ich rufe dich noch einmal an, vielleicht hast du deine Meinung dann ja geändert.«
»Kaum, also spar dir die Mühe, du dumme Schlampe. Lass mich in Frieden.«
Chelsea drückte das Gespräch weg und schleuderte das Handy gegen die Wand. Es prallte ab und traf eine Glasvase mit Lilien, die zu Boden fiel und zerbrach. Chelsea rannte mit den Schlaftabletten in der Hand die Treppe hinauf. Sie würde heute Nacht zwei Stück nehmen. Sie musste morgen früh in Bestform sein, und dieses Miststück würde sich ihr nicht in den Weg stellen.
Niemand würde sich ihr in den Weg stellen.
48
O h, mein Gott. Mein kleines Mädchen ist zurück!«
Margaret sprang vom Stuhl auf und drückte ihre jüngste Tochter fest an sich. »Es ist so schön, dich wiederzusehen.« Dann verstummte sie, da sie nicht wusste, was sie als Nächstes sagen sollte. Sie hatte keine Ahnung, wo ihre Tochter in den vergangenen zwei Monaten gesteckt, geschweige denn, was sie getan hatte. Etwas verlegen packte sie sie an den Schultern. »Ist alles in Ordnung mit dir, Liebes?«
Amber stellte ihre Louis-Vuitton-Reisetasche auf dem Boden ab. Als sie sich wieder aufrichtete, warf sie das Haar zurück und strahlte ihre Mutter an. »Mir geht’s blendend, Mum. Wirklich.«
»Du siehst großartig aus.« Margaret sah sie anerkennend an. »Wirklich ganz großartig. Vielleicht …« Sie biss sich auf die Lippe. »Meine Güte, wie schön du bist, Liebes.«
Vielleicht musst du vor dem nächsten Film noch ein oder zwei Kilo abnehmen, hatte sie eigentlich sagen wollen, wie Amber sehr wohl wusste. Aber sie wusste ironischerweise auch, dass sie tatsächlich nie besser ausgesehen hatte. Die Sonne hatte ihr goldene Strähnen ins bernsteinfarbene Haar gezaubert. Sie war fast den ganzen Tag draußen gewesen, war am Strand gelaufen, hatte dort gepicknickt oder Krimis gelesen. Sie war stärker gebräunt als üblich und hatte viel geschlafen, ohne eine einzige Schlaftablette zu nehmen, denn sie hatte auf ihren Körper hören dürfen, während sie sich sonst nach dem rigiden Drehplan richten musste.
Und sie sah zum ersten Mal seit Jahren wirklich klar. Sie stand auf ihren eigenen Füßen, sie hatte einen Plan, sie wusste, was sie mit ihrem Leben anstellen wollte. Kurz gesagt: Sie hatte ihre Schwester und Leo genau da, wo sie sie haben wollte. Und keiner von beiden hatte auch nur den Hauch einer Ahnung …
»Mir geht es prächtig, Mum. Es war einfach gut, eine Weile zu verschwinden. Ich habe viel nachgedacht, habe mir den Kopf durchpusten lassen und überlegt, was ich als Nächstes tun werde.«
Margaret hatte keinen Grund, davon auszugehen, dass Amber nicht mehr das brave Ding war, das ihre Mutter und Leo und alle anderen gekannt hatten. »Wann gehen die Dreharbeiten weiter?«
»Zu was?«
»Zu Secret Sisters «, sagte Margaret.
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