Rachedurst
Bildschirm starrte.
Das Bild wechselte, und schließlich drangen ein paar Wörter bis in meine Ohren.
Gesprungen … Gebäude … offenbar Selbstmord … geheimnisvoller Mensch … jetzt ein geheimnisvoller Tod.
Zuckend erwachte ich aus meiner Lähmung, als auf dem Bildschirm der Film einer wackligen Handkamera erschien. Man sah den Holzfußboden eines Flurs und die rosa Schlappen der Frau, die mit ihrer Kamera auf die Balkontür ihres Wohnzimmers zurannte.
Wort für Wort hörte ich die Stimme des Reporters aus dem Off.
»Hier sehen Sie das dramatische Privatvideo einer Nachbarin von Dwayne Robinson, die ihre Kamera einschaltete, nachdem sie gehört hatte, wie die Scheibe in der Wohnung nebenan zerbrach. Ich möchte aber unsere Zuschauer angesichts der sehr brutalen Szene warnen.«
Die Kamera wurde schließlich ruhig gehalten und scharf gestellt. Dwaynes Nachbarin filmte von ihrem Balkon aus nach unten.
Dwayne Robinson, einsfünfundneunzig groß, lag mit dem Gesicht nach unten auf einem weißen Transporter. Das Metall war vom Aufprall eingedellt und hatte um ihn herum Wellen geworfen.
Ich wurde wieder fast taub, als erneut der Reporter ins Bild kam. Diesmal stand er auf der Straße, in der Dwayne gelebt hatte.
Und gestorben war.
»Ich vermute, er kommt nicht mehr«, murmelte Jimmy. Er klang genauso mitgenommen, wie ich es war. »Dieses arme Schwein hat uns wieder sitzen lassen.«
Zweiter Teil
Die Falle
24
Bruno Torenzi öffnete die Tür zu seinem Zimmer im San Sebastian Hotel mit Blick auf den Central Park und musterte die ein Meter fünfundsiebzig große Frau, die im Flur stand, von oben bis unten. Sie trug ein glänzendes rotes Cocktailkleid mit passenden Stöckelschuhen, dazu den entsprechenden Goldschmuck.
»Wie heißt du?«, fragte er. »Mit richtigem Namen?«
»Anastasia«, antwortete sie. Ihr russischer Akzent war fast genauso stark wie sein italienischer. »Wie heißt du mit richtigem Namen?«
Torenzi beachtete die Frage nicht, drehte sich um und ging ins Zimmer zurück.
»Freut mich, dich kennenzulernen.« Die Blonde schloss die Tür hinter sich. »Ich werde dich Sebastian nennen. Gefällt dir das Hotel?«
»Ich habe den Witz verstanden«, rief Bruno Torenzi dem Mädchen über die Schulter zu.
Torenzi bevorzugte italienische Mädchen, doch die Italienerinnen auf dieser Seite des Atlantiks waren wie ein Essen im Olive Garden: Wie dieses würde man sie nie für echte Hausmannskost halten. Und die amerikanischen Mädchen redeten zu viel über sich, die asiatischen empfand er als zu dürr. Nichts, woran man sich festhalten konnte.
Deswegen gab es Gott sei Dank die russischen Mädchen. Oder die polnischen oder griechischen.
»Zieh dich aus«, verlangte Torenzi und nahm sich ein Bier aus der Minibar. Dem Mädchen bot er nichts an.
»Eins nach dem anderen«, schoss sie zurück. »Sebastian.«
»Klar«, murmelte er, während er zu einem offenen Matchbeutel ging, der auf einem runden Tisch in der Ecke lag, und einen Stapel Geldscheine herauszog. »Zweitausend, oder?«, fragte er und entfernte das Gummiband, mit dem der Packen zusammengehalten wurde.
»Trinkgeld nicht mit eingerechnet«, sagte Anastasia in der Hoffnung, dass der Italiener, der offenbar reiche Italiener, die Spielregeln nicht kannte.
Torenzi zählte zwanzig steife Einhundert-Dollar-Scheine aus dem Stapel und streckte sie ihr hin. »Ich bin nicht von gestern … Anastasia.«
Sie nahm die zweitausend Dollar und fand, dass das ja schon mal ganz gut war – fürs Erste.
Sie hauchte in sein Ohr, während sie ihre Hand nach unten über seine schwarze Hose gleiten ließ. Hübsches Material, italienisch. »Weißt du, was Anastasia bedeutet?«, füsterte sie durch ihre kirschrot geschminkten Lippen. »Der Name bedeutet ›Blume der Auferstehung‹.«
Torenzi nahm einen Schluck Bier. »Hervorragend. Jetzt zieh dich aus«, wiederholte er. »Das mit dem Geschichtsunterricht lassen wir mal.«
Torenzi spielte gerne den Boss und war damit durchaus nicht der Erste, ging es Anastasia durch den Kopf, während sie den Reißverschluss an ihrem Rücken öffnete. Soll er doch seinen Spaß haben, solange er noch kann.
Abgesehen vom ehemaligen Gouverneur von New York wussten fast alle Männer, dass zweitausend Dollar für eine Nutte ein ziemlich stolzer Preis war. Dafür musste sie nicht nur hübsch, sondern auch gut sein.
Anastasia enttäuschte Torenzi nicht. Als das Cocktailkleid von ihren Schultern glitt, gerieten ihre blauen Augen
Weitere Kostenlose Bücher