Rachedurst
befragt.
»Sie wird gleich zurück sein – sie führt jemanden an den Platz«, erklärte er, mich kaum eines Blickes würdigend. Er war von durchschnittlicher Größe und Statur, und er sprach mit einer gewissen Überheblichkeit, die er sich wahrscheinlich im Lauf seiner Arbeit angeeignet hatte. »Sind Sie der Mann mit der Jacke?«, fragte er.
Eigentlich war ich der Mann ohne Jacke.
Wenn auch nicht lange.
Bevor ich antworten konnte, hörte ich eine Stimme hinter dem Restaurantleiter. »Da sind Sie ja«, sagte sie.
Sie erinnerte sich an mich. Dass ich sie nicht vergessen hatte, war klar. »Tiffany«, begrüßte ich sie und reichte ihr die Hand. »Wie die hübsche aquamarinblaue Box.«
Sie lächelte. Ein tolles Lächeln. »Hi, Mr. Daniels«, sagte sie.
»Bitte nennen Sie mich Nick.«
Ich folgte Tiffany zur Garderobe gegenüber dem Barbereich. »Wir haben Ihre Jacke hier drüben aufbewahrt«, erklärte sie mit einem Blick zu mir nach hinten.
Ich nickte. »Vielen Dank für Ihren Anruf. Ich hatte überhaupt gar nicht mehr daran gedacht, dass ich eine Jacke angehabt habe.«
»Das ist bei der Verwirrung, die an dem Tag geherrscht hat, nur verständlich.« Sie blieb abrupt stehen und wandte sich mir zu. »Verwirrung. Dieses Wort trifft die Sache nicht richtig, oder?«
»Wohl nicht.«
Tiffany schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, ich wollte meine Arbeit am nächsten Tag kündigen. Zurück nach Indiana gehen, wo ich herkomme. Habe sogar mit Jason darüber gesprochen.«
»Jason?«
»Der Typ am Empfang. Der Manager.«
»Was hat er darauf gesagt?«
»Dass wir hier in New York sind. Ich sollte es einfach schlucken, und damit würde ich beweisen, dass ich wirklich hierhergehöre.«
»Das hat er ja wirklich nett ausgedrückt.«
»Wem sagen Sie das. Andererseits, schauen Sie sich doch in der Menge dieser Leichenschänder um. Ich weiß nicht, ob ich erstaunt oder deprimiert sein soll.«
Ich verstand, was sie meinte. Lombardo’s Steakhouse war noch voller als sonst, sofern dies möglich war. Man könnte es, besonders in Manhattan und vermutlich in L.A., die perverse Logik des Hip-Seins nennen. Nachdem der Laden als Bühne für drei grausame Morde gedient hatte, legte er noch an Popularität zu.
Tiffany ging zur Garderobe weiter und griff zu meiner Jacke. »Hier, bitte«, sagte sie. »Das ist doch Ihre, oder?«
»Stimmt, das ist meine.« Ein kurzer Mantel für Autofahrer, den ich vor Jahren für einen Appel und ein Ei erstanden hatte.
Als ich ihn über meinen Arm legte, fiel mir etwas ein. »Tiffany, woher wussten Sie, dass er mir gehört?« Das hielt
ich für eine gute Frage. Schließlich war mein Name nicht wie bei Kinderkleidern am Kragen aufgenäht, wenn’s ab ins Sommerlager geht.
»Ich habe die Taschen durchsucht. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus«, antwortete sie. »Ich habe so ein E-Ticket für einen Flug nach Paris gefunden. Darauf standen Ihr Name und Ihre Telefonnummer. So habe ich …«
Sie verstummte.
»Was ist?«, fragte ich.
Tiffanys Mund stand sperrangelweit offen. Fast schon konnte ich hinter ihren dunkelbraunen Augen sehen, wie sich die Zahnräder in ihrem Hirn drehten.
»Oh, mein Gott!«, platzte sie heraus. »Sie waren doch mit dem Baseball-Werfer da. Dem armen Mann, der sich umgebracht hat.«
»Ja, Dwayne Robinson«, bestätigte ich. Es tat immer noch weh, seinen Namen zu nennen. »Zufällig komme ich gerade von seiner Beerdigung. Traurige Sache.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Ich konnte es nicht glauben, als ich es in den Nachrichten gesehen habe.«
»Sie erinnern sich an ihn? Als er neulich im Restaurant war?«, fragte ich.
»Ja«, sagte sie. »Und vom Tag davor auch.«
Ich blickte sie schief an, während ihre letzten Worte in meinem Kopf Purzelbäume schlugen.
29
Es ergab keinen Sinn. Null. Dwayne Robinson war an jenem Tag nicht im Lombardo’s aufgetaucht. Er hatte mich versetzt.
Doch laut Tiffany war er dort gewesen.
»Wann?«, wollte ich wissen. »Um wie viel Uhr? Tut mir leid, wenn ich ein bisschen aufdringlich bin, aber es ist wichtig für mich. Ich sollte für den Citizen einen Artikel über Dwayne Robinson schreiben.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Es war eher früher. Gegen zwölf vielleicht.« Das war, bevor ich das Restaurant betreten hatte, etwa eine halbe Stunde, bevor Dwayne und ich uns hätten treffen sollen. Total merkwürdig.
»Sind Sie sicher, dass er es war?«, bohrte ich nach.
»Ja, aber zu dem Zeitpunkt habe ich mir natürlich nichts
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