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Racheengel

Racheengel

Titel: Racheengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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wirst.«
    Susan legte ihm einen Arm um die Hüfte. Er legte ihr seinen um die Schulter und zog sie zu sich heran.
    »Das Geschirr kann auch bis morgen warten«, sagte er. »Lust auf ein kleines Schläfchen?«
    Verstohlen schaute Lennon hinüber zu den Kindern, die inzwischen vor dem Fernseher lagen und einen Harry-Potter-Film anschauten.
    »Um die brauchen wir uns keine Gedanken zu machen«, sagte Susan.
    Lennon sah seine Tochter an. Sie hatte das Kinn auf die Händegestützt und wedelte mit den Beinen in der Luft. Er musste an die ganzen Mädchen wie Galya denken, denen er schon begegnet war, und daran, dass sie alle einmal klein und voller Staunen gewesen waren.
    »Hoffen wir es«, sagte er.

77
    »Alles unter Kontrolle«, sagte der Kontaktmann. »Gleich fährt Lennon mit dem Mädchen aufs Revier. Die beiden werden nicht dort ankommen.«
    »Gut«, sagte Strazdas.
    Er setzte sich nackt am Fußende des Bettes auf den Boden und legte das Kinn auf die Knie. Ein eiskalter Luftzug tastete nach seinem Körper. Schon hundertmal hatte er heute das Fenster aufgerissen und wieder zugemacht. Entweder er kochte oder fror sich tot, ein Dazwischen gab es nicht.
    »Anschließend will ich, dass Sie sich in ein Flugzeug setzen und von hier verschwinden«, sagte der Kontaktmann. »Morgen früh um elf geht ein Flug nach Brüssel. Ich bestelle Ihnen ein Taxi.«
    »In Ordnung«, sagte Strazdas.
    »Und ich will mein Geld«, sagte der Kontaktmann.
    »Tun sie einfach nur, was ich von Ihnen verlange«, sagte Strazdas. »Dann kriegen Sie Ihr Geld schon.«
    »Es wird alles erledigt«, sagte der Kontaktmann.
    Strazdas zitterte. »Eine Sache noch«, sagte er.
    »Was?«
    »Ich brauche etwas.«
    »Und was genau?«
    »Normalerweise hätte Herkus es mir besorgt, aber der ist tot.«
    »Was brauchen Sie?«
    »Koks«, sagte Strazdas.
    Ein paar Sekunden lang hörte er nichts als Schweigen, dann sagte der Kontaktmann: »Verpissen Sie sich.«

78
    Lennon brachte Galya zum Wagen. Immer noch spürte er auf seiner Wange Susans warmen Kuss. Dichter Nebel tauchte die Welt in ein schmutzig-graues Weiß und verbarg den dunklen Himmel darüber. Die Temperaturen waren gefallen und hatten den Schnee frieren lassen, er knirschte unter ihren Schuhen. Galya trug ein Paar alte und zu große Turnschuhe von Susan, und außerdem dicke Socken, um ihre Füße zu schützen. Ihren schmächtigen Körper hatte sie in einen Dufflecoat mit Kapuze gewickelt.
    Er nahm die Pappen weg, die er zum Schutz gegen den Frost auf Windschutzscheibe und Heckscheibe gelegt hatte, und warf sie in den Kofferraum des Audi. Dann hielt er Galya die Tür auf. Sie dankte ihm mit leiser Stimme und sank auf den Beifahrersitz.
    Lennon ließ den Motor an und sah auf die Uhr. Fast zehn. Man hatte ihm gesagt, dass sie das Mädchen noch vor dem Schichtwechsel dahaben wollten. Na, dann müssen sie eben ein paar Minuten warten, dachte er. Bei diesem Wetter würden sie nur langsam vorankommen, und außerdem war Weihnachten.
    Auf dem Armaturenbrett blinkte die ABS-Leuchte auf, als er vom Parkplatz fuhr und nach rechts in Richtung des Kreisels am Ende des Stranmillis Embankment abbog. Galya saß schweigend und in ihren Mantel gehüllt neben ihm, nur die Nase und die Augen lugten unter der Kapuze hervor.
    »Es wird schon alles gut werden«, sagte er, obwohl er sich ganz und gar nicht sicher war, ob er selbst daran glaubte.
    Sie antwortete nicht, sondern starrte nur weiter vor sich hin, während sie am Ufer entlangfuhren. Der Fluss zu ihrer Linken war im Nebel verschwunden. Wie ein Gewicht legte sich draußen die eisige Luft auf die leeren Straßen und steigerte noch das Gefühl der Stille. Lennon sah weder andere Autos noch irgendwelche Fußgänger der Kälte trotzen.
    Warum hatte der Diensthabende wohl darauf bestanden, dass das Mädchen noch heute Abend gebracht wurde? Wer würde denn jetzt kommen und sie verhören? Auf Nachfrage hatte der Diensthabende ihm nur erklärt, man habe ihn aufgefordert, dafür zu sorgen, und fertig. Lennon wollte wissen, wer das angeordnet habe, und der Diensthabende sagte ihm, DCI Thompson wolle nicht, dass das Mädchen frei herumlaufe. Aber von alleine hätte sich ein fauler Sack wie Thompson nie eine solche Mühe gemacht, es sei denn, jemand anderes hatte ihm eine entsprechende Anweisung gegeben. Lennon fragte sich, ob dieser andere womöglich ein alter Freund aus dem Geheimdienst C3 war, der ihm das Leben schwermachen wollte.
    Um die Geschwindigkeit zu drosseln, schaltete er

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