Racheherz - Roman
Türen waren eingerastet.
Nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, auf die Toilette gegangen war und seinen Schlafanzug angezogen hatte, spielte Ryan mit dem Gedanken, die Pistole aus dem Safe zu holen. Er ermahnte sich selbst, nüchtern und sachlich zu bleiben und seine Fantasie nicht die Oberhand über seine Vernunft gewinnen zu lassen, und kehrte unbewaffnet ins Schlafzimmer zurück.
Auf seinem Kopfkissen lag ein Schmuckstück, ein goldener herzförmiger Anhänger an einer goldenen Kette.
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Im Ankleidezimmer drückte Ryan auf einen verborgenen Schalter. Eine Blende glitt zur Seite und enthüllte die quadratische stählerne Front des Wandsafes mit einer Seitenlänge von einem knappen halben Meter.
Eilig tippte er den Code in das beleuchtete Tastenfeld ein. Als die Flüssigkristallanzeige ACCESS zeigte, öffnete er den Safe, schnappte sich die 9mm-Pistole, schloss die Tür und blieb einen Moment lang stehen, um nachzudenken. Dabei hielt er die Waffe mit beiden Händen umklammert, die Mündung zur Decke gerichtet.
Der Griff mit dem Karomuster fühlte sich rau auf seinen Handflächen an. Für ein Werkzeug mit tödlichen Folgen erschien ihm die Waffe irgendwie zu leicht.
Er wollte niemanden töten, aber er hatte nicht bis jetzt überlebt, um nun einfach so zu sterben.
Barfuß und im Schlafanzug verließ er das Ankleidezimmer, durchquerte das Schlafzimmer und betrat den Alkoven. Mit einem Ellbogen drückte er auf den Lichtschalter, während er die Schwelle überschritt.
Der Art-déco-Schreibtisch aus Amboinaholz. Bücherregale. Fernseher und Stereoanlage. Die kleine Bar mit Einbaukühlschrank.
An der Tür zum ersten Balkon fand er den Sicherheitsbolzen noch von innen verriegelt vor. Niemand hatte die Suite auf diesem Weg verlassen.
Zwei Fenster boten einen Blick auf den Balkon. Er zog
erst vor dem einen und dann vor dem anderen Fenster die Faltrollos hoch und rechnete fast damit, ein bleiches Gesicht unter einer Kapuze an der Scheibe zu sehen, ein verschwommenes Starren, ein heimtückisches Grinsen, die Person, die um den schwarzen See herum auf ihn zugekommen war. Aber keine Erscheinung erwartete ihn und beide Fenster waren von innen verriegelt.
Von dem Alkoven ging noch ein fensterloser kleiner Raum mit einer Toilette und einem Waschbecken ab. Auch dort war niemand. Sein Spiegelbild zeigte ihm, dass sein Mund zu einem schmalen, grimmigen Strich zusammengekniffen war und in seinen Augen ein wilder Blick stand. Die Pistole wirkte riesig.
Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, fand er auch an der Tür zum zweiten Balkon den Sicherheitsbolzen verriegelt vor. Auch durch diesen Ausgang hatte niemand die Suite verlassen.
Drei Fenster, eines davon funktionslos. Die beiden anderen geschlossen. Ein Windstoß, der Regen gegen die Scheibe peitschte, ließ sein Herz einen Satz machen.
Nirgends ein Versteck, außer unter dem Bett. Obwohl sich außer einem anorektischen Model wohl niemand unter ein so niedriges, breites Bett mit Seitenteilen hätte zwängen können, ging Ryan auf die Knie und lugte darunter. Da das Haus hervorragend saubergehalten wurde, fand er dort nicht einmal eine Wollmaus.
Der Flur. Die Eingangstür. Der Sicherheitsbolzen verriegelt.
Das Badezimmer. Großzügig und weitläufig. Der kalte Marmorboden unter seinen nackten Füßen. Nichts bewegte sich dort außer Ryans nervösen Spiegelbildern. Eine Tür führte zu einem separaten WC, eine andere zu einer Wäschekammer.
Weder hinter der einen noch hinter der anderen Tür war jemand.
In seiner geräumigen Ankleide gab es keine offenen Regale, nur Schubladen für Kleidungsstücke, die zusammengefaltet aufbewahrt wurden. Kleidungsstücke, die auf Bügeln hingen, befanden sich hinter Schranktüren.
Wenn er die Anzüge und Hemden auf der Stange zur Seite schob, hätte sich ein ausgewachsener Mann hinter jeder der zwölf Türen verstecken können. Ryan öffnete das gesamte Dutzend, stieß aber auf keinen Eindringling.
Um den Anhänger auf das Kopfkissen zu legen, nachdem sich Ryan für die Nacht in der Suite eingeschlossen hatte, musste jemand gleichzeitig mit ihm in der Suite gewesen sein. Und doch war jetzt niemand mehr da und keiner der Ausgänge war geöffnet worden.
Er kehrte zu seinem Bett zurück, ließ die Pistole sinken, stand nur da und starrte den goldenen Anhänger an.
Ein Trappeln wie von einer Horde umherhuschender Ratten auf dem Dachboden. Er blickte auf. Keine Ratten, Regen. Auf dem Schieferdach, Regen.
Wenn jemand von einem der
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