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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Anblick wurde nicht angenehmer, als sie näher kamen. Gelegentlich traten Menschen aus dem Tor – alte Männer, junge Männer und Frauen, die Kinder trugen und Gepäck auf Maultiere oder den eigenen Rücken gebunden hatten. Wagenräder mühten sich knarrend durch den zähen Schlamm. Die Leute, die die Stadt verließen, schoben sich nervös durch die zornige Menge. Eingelassen wurden hingegen nicht sehr viele. Man spürte die Angst, die schwer in der Luft lag, und je dichter das Gedränge wurde, desto schwerer wurde sie.
    Espe schwang sich vom Pferd, streckte die Beine und lockerte gewissenhaft sein Schwert in der Scheide.
    »In Ordnung.« Monzas schwarzes Haar rahmte ihr von der Kapuze beschattetes Gesicht ein. »Ich bringe uns rein.«
    »Sind Sie
absolut
überzeugt davon, dass wir die Stadt betreten sollten?«, fragte Morveer.
    Sie warf ihm einen langen Blick zu. »Orsos Heer kann keine zwei Tage mehr von hier entfernt sein. Das bedeutet, Ganmark ist im Anmarsch. Vielleicht auch der Getreue Carpi mit den Tausend Klingen. Und dort, wo sie sind, müssen auch wir sein, so einfach ist das.«
    »Sie sind natürlich meine Dienstherrin. Aber ich fühle mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass man es mit der Entschlossenheit auch übertreiben kann. Sicherlich könnten wir einen weniger gefährlichen Weg ersinnen, als uns in eine Stadt zu begeben, die demnächst von feindlichen Streitkräften umringt sein wird, und derart in eine Falle zu laufen.«
    »Wir werden nichts erreichen, wenn wir hier draußen warten.«
    »Wir werden auch nichts erreichen, wenn wir alle
getötet
werden. Ein Plan, der so starr ist, dass er bricht, wenn die Umstände eine leichte Anpassung erforderten, ist schlimmer als …« Sie wandte sich ab, bevor er den Satz zu Ende brachte, ging auf den Torbogen zu und drängte sich zwischen den Menschen durch. »Frauen«, zischte Morveer durch die zusammengebissenen Zähne.
    »Was ist mit Frauen?«, knurrte Vitari.
    »Frauen – Anwesende natürlich völlig ausgenommen – neigen dazu, eher mit dem Herzen als mit dem Kopf zu denken.«
    »Bei dem, was sie zahlt, kann sie von mir aus mit dem Arsch denken.«
    »Auch wer reich stirbt, ist tot.«
    »Besser, als wenn er arm stirbt«, bemerkte Espe.
    Es dauerte nicht lange, und ein halbes Dutzend Wachmänner schob sich durch die Menge, drängte die Leute mit Speeren zurück und machte eine schlammige Gasse zum Tor frei. Ein Offizier war bei ihnen, und Monza folgte ihm auf dem Fuße. Sie hatte zweifelsohne ein paar Münzen springen lassen und fuhr nun die Ernte ein.
    »Ihr sechs mit dem Wagen da drüben.« Der Offizier deutete mit einem behandschuhten Finger auf Espe und die anderen. »Ihr kommt rein. Ihr sechs und sonst niemand.«
    Unter den Übrigen, die um das Tor herumstanden, kam zorniges Gemurmel auf. Jemand trat gegen den Wagen, als er sich in Bewegung setzte. »Das ist doch Scheiße! Das ist doch nicht gerecht! Ich habe Salier mein Leben lang Steuern gezahlt, und jetzt werde ich hier sitzengelassen?« Ein Mann packte Espe am Arm, als er versuchte, sein Pferd zum Tor zu führen. Er war ein Bauer, soweit Espe das im Fackellicht und dem heftigen Regen erkennen konnte, und er war offenbar noch verzweifelter als die anderen. »Wieso werden diese Drecksäcke durchgelassen? Ich muss meine Familie er…«
    Espe schlug die Faust in das Gesicht des Mannes. Als der stürzte, packte er ihn am Mantel und riss ihn wieder hoch, schickte einen zweiten Schlag hinterher und schleuderte ihn rücklings in den Graben neben der Straße. Blut, dunkel im dämmrigen Licht, strömte dem Bauern über das Gesicht, als er sich wieder aufzurichten versuchte. Wenn man eine Schlägerei anfängt, dann bringt man sie am besten mit den ersten Schlägen auch gleich zu Ende. Ein wenig gezielte Härte kann einem langfristig viel ersparen. So hätte es der Schwarze Dow gesehen. Und daher trat Espe schnell vor, setzte dem Mann den Stiefel auf die Brust und drückte ihn wieder in den Dreck.
    »Bleib lieber, wo du bist.« Ein paar andere standen in der Nähe, dunkle Umrisse, eine Frau, an deren Beine sich zwei Kinder schmiegten. Einer der jungen sah ihn direkt an, leicht vorgebeugt, als ob er darüber nachdachte, etwas zu unternehmen. Der Sohn des Bauern vermutlich. »Ich verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit diesem Scheiß, Kleiner. Hast du das dringende Bedürfnis, dich langzulegen?«
    Der Junge schüttelte den Kopf. Espe nahm wieder den Zügel seines Pferdes, schnalzte mit der Zunge und ging

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