Racheklingen
Regimenter von Orsos alten Verbündeten – die Flaggen von Etrisani am rechten Flügel, dort, nahe am Wasser, und ein paar von Cesale in der Mitte. Aber alles reguläre Truppen. Keine Spur von unseren alten Waffenbrüdern, den Tausend Klingen. Eine Schande. Es wäre doch schön, wenn wir alte Freundschaften wiederbeleben könnten, nicht wahr, Monza? Sesaria, Victus, Andiche. Und natürlich der Getreue Carpi.« Alte Freundschaften wiederbeleben … und sich an alten Freunden rächen.
»Die Söldner werden nach Osten ziehen.« Monza machte eine Kopfbewegung zum Fluss hinüber. »Und Herzog Rogont und seine Osprianer aufhalten.«
»Ein hübscher Spaß für alle Beteiligten, davon bin ich überzeugt. Aber wir zumindest sind ja nun einmal hier.« Cosca deutete auf die herumwimmelnden Soldaten vor der Stadt. »General Ganmark ist dort drüben, zumindest kann man davon ausgehen. Und der Plan lautet, uns alle in froher Runde wieder zusammenzubringen? Jedenfalls hoffen wir doch alle darauf, dass du einen Plan hast.«
»Ganmark ist ein sehr kultivierter Mann. Er hat eine Vorliebe für Kunst.«
»Und?«, fragte Morveer.
»Niemand besitzt mehr Kunstschätze als Großherzog Salier.«
»Seine Sammlung ist sehr beeindruckend.« Cosca hatte sie bei verschiedenen Gelegenheiten bewundert, oder jedenfalls so getan, während er vor allem Saliers Wein bewunderte.
»Die schönste in ganz Styrien, sagt man.« Monza war zur gegenüberliegenden Brustwehr hinübergegangen und sah nun zu Saliers Palast, der ruhig auf seiner Insel inmitten des Flusses thronte. »Wenn die Stadt fällt, dann wird Ganmark direkt zum Palast eilen, weil er ganz scharf darauf sein wird, all diese unbezahlbaren Werke vor dem Chaos zu schützen.«
»Beziehungsweise versuchen wird, sie für sich zu stehlen«, warf Vitari ein.
Monzas Kinn war noch entschlossener vorgereckt als sonst. »Orso wird darauf drängen, dass die Belagerung schnell zu Ende geht, damit er umso mehr Zeit hat, um Rogont zu erledigen. Er will den Achterbund ein für alle Mal vernichten und den Anspruch auf die Krone erheben, bevor der Winter kommt. Das bedeutet Breschen und Angriffe und Leichen in den Straßen.«
»Großartig!« Cosca klatschte in die Hände. »Straßen mögen ja normalerweise von edlen Bäumen und stattlichen Gebäuden flankiert sein, aber sie wirken einfach unvollständig, wenn nicht ein paar Leichen auf dem Pflaster liegen, nicht wahr?«
»Wir nehmen uns Rüstungen, Uniformen und Waffen von den Toten. Wenn die Stadt fällt – und das wird nicht lange dauern –, werden wir uns als Talineser verkleiden. Wir schleichen uns in den Palast, und während Ganmark sich Saliers unter den Nagel reißen will und nicht aufpasst …«
»Bringen wir den Drecksack um?«, schlug Espe vor.
Es folgte eine Pause. »Ich glaube, dass ich eine winzig kleine Schwachstelle in diesem Plan ausgemacht habe.« Morveers nörgelnder Ton gab Cosca das Gefühl, als triebe jemand Nägel in seinen Hinterkopf. »Großherzog Saliers Palast gehört im Augenblick zu den bestbewachten Orten in Styrien, und
wir
sind draußen, nicht drinnen. Es ist auch nicht besonders wahrscheinlich, dass wir eine Einladung erhalten werden.«
»Im Gegenteil, ich habe schon eine.« Es erfüllte Cosca mit Genugtuung, dass sie ihn alle anstarrten. »Salier und ich waren vor einigen Jahren recht gut befreundet, als er mich dazu anheuerte, seine Grenzstreitigkeiten mit Puranti zu regeln. Wir aßen einmal die Woche zusammen, und er versicherte mir, ich sei ihm willkommen, wann immer ich in der Stadt sein würde.«
Das Gesicht des Giftmischers war eine Karikatur der Verachtung. »War das eventuell,
bevor
Sie sich in einen verkommenen Weinschlauch verwandelt haben?«
Cosca tat den Einwand zwar mit einer achtlosen Handbewegung ab, aber innerlich heftete er diese Beleidigung sorgfältig neben allen anderen ab. »Es war während meiner langen und höchst angenehmen Verwandlung in einen solchen. Als entwickelte sich eine Raupe zu einem wunderschönen Schmetterling. So oder so steht seine Einladung immer noch.«
Vitari sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Wie, zur Hölle, willst du sie denn einfordern?«
»Ich denke, ich werde mich an die Wachen vor dem Palasttor wenden und so etwas sagen wie: Ich bin Nicomo Cosca, der berühmte Glücksritter, und ich komme zum Abendessen.«
Betretenes Schweigen folgte, als hätte er ihnen anstelle einer erfolgversprechenden Idee einen Kackhaufen präsentiert.
»Entschuldige, wenn ich
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