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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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einer Ecke süße Klänge und vermittelten mit ihrem strahlenden Lächeln erfolgreich den Eindruck, sie täten nichts lieber, als denen, die dem Untergang geweiht waren, in einem vom Feind belagerten Palast ein Ständchen zu bringen. Auf der langen Tafel türmte sich eine herrliche Auswahl verschiedenster Delikatessen: Fisch und Meeresfrüchte, Brote und Pasteten, Früchte und Käse, Süßigkeiten, Fleisch und kleine Appetithäppchen, so sorgfältig angeordnet wie Medaillen auf der Brust eines hoch dekorierten Generals. Selbst für zwanzig Gäste wäre es zu viel gewesen, und es saßen nur drei am Tisch, von denen zwei zudem keinen Hunger hatten.
    Monza sah nicht gut aus. Ihre Ober- und Unterlippe war aufgeplatzt, und ihr Gesicht, in der Mitte aschgrau, war an den Seiten geschwollen und gerötet. Eines ihrer Augen war mit geplatzten Äderchen durchzogen, und ihre Finger zitterten. Cosca schmerzte es, sie auch nur anzusehen, aber er dachte bei sich, dass es schlimmer hätte kommen können. Für ihren Nordmannfreund war das kaum ein Trost. Er hätte schwören können, dass er die ganze Nacht über durch die Wand hindurch Espes Stöhnen gehört hatte.
    Er griff nach seiner Gabel, um ein Würstchen aufzuspießen.
    Der Grillrost hatte kleine schwarze Streifen auf dem gut durchgebratenen Fleisch hinterlassen. Die Erinnerung an Espes gut durchgebratenes Gesicht mit dem breiten schwarzen Streifen drängte sich Cosca unwillkürlich auf, und er räusperte sich und nahm sich stattdessen lieber ein hart gekochtes Ei. Erst als er es schon halb auf seinen Teller bugsiert hatte, fiel ihm auf, wie sehr es einem Augapfel glich. Hastig streifte er es von der Gabel und ließ es mit aufsteigender Übelkeit auf seinen Teller fallen, dann hielt er sich an den Tee und tat im Stillen so, als sei er stark mit Branntwein versetzt.
    Herzog Salier war damit beschäftigt, die Erinnerung an ruhmreiche Zeiten heraufzubeschwören, so wie Männer es gerade dann besonders gern tun, wenn diese Zeiten schon sehr lange zurückliegen. Cosca selbst war diese Beschäftigung nicht fremd, aber wenn seine eigenen Geschichten auch nur halb so langweilig waren, dachte er, dann war das ein Grund, sofort und für alle Zeiten davon abzuschwören. »… und die Bankette, die ich in genau diesem Raum veranstaltet habe! Die großen Männer und Frauen, die meine Gastfreundschaft an diesem Tisch genossen haben! Rogont, Cantain, Sotorius und sogar Orso selbst. Diesem wieselgesichtigen Lügner habe ich allerdings nie getraut, auch damals nicht.«
    »Der höfische Tanz styrischer Machtverhältnisse«, kommentierte Cosca. »Verbündete bleiben einander niemals lange treu.«
    »So ist das in der Politik.« Die Speckpolster, die Saliers Kinn einfassten, bewegten sich leicht, als er die Achseln zuckte. »Ebbe und Flut. Der Held von gestern ist der Schurke von morgen. Und der Sieg von gestern …« Er sah stirnrunzelnd auf seinen leeren Teller. »Ich fürchte, Sie beide werden meine letzten Gäste von Rang und Namen sein, und bitte vergeben Sie mir, wenn ich sage, auch Sie beide haben einmal bessere Tage gesehen. Dennoch! Man muss die Gäste nehmen, wie sie kommen, und das Beste daraus machen!« Cosca verzog die Lippen zu einem müden Grinsen. Monza konnte sich nicht einmal dazu aufraffen. »Ihnen steht nicht der Sinn nach einer kleinen Aufheiterung? Bei einem Blick auf Ihre langen Gesichter könnte man beinahe glauben, meine Stadt stünde in Flammen! Jetzt können wir uns aber auch vom Frühstückstisch erheben. Ich habe doch sicher das Doppelte von dem gegessen, was Sie beide zusammen verzehrt haben!« Cosca überlegte, dass der Herzog zweifelsohne auch das Doppelte von dem wog, was er und Monza zusammen auf die Waage brachten. Salier griff nach einem Glas mit einer weißen Flüssigkeit und hob es an seine Lippen.
    »Was ist das, was Sie da trinken?«
    »Ziegenmilch. Ist ein bisschen sauer, vollbringt aber wahre Wunder, was die Verdauung betrifft. Kommen Sie, meine Freunde – und Feinde natürlich, denn für einen mächtigen Mann gibt es nichts Wertvolleres als einen guten Feind –, und machen Sie einen kleinen Rundgang mit mir.« Er erhob sich unter lautem Schnaufen von seinem Stuhl, schubste das Glas weg und schritt federnd über den Fliesenboden, während er seine speckige Hand im Rhythmus der Musik bewegte. »Wie geht es Ihrem Gefährten, dem Nordmann?«
    »Er hat noch immer sehr große Schmerzen«, murmelte Monza, die so aussah, als ob es ihr nicht anders ging.
    »Ja

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